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Das Durchschnittseinkommen unterscheidet sich in Deutschland stark – je nach Branche, Region und Geschlecht. Welche Summe verdienen die Deutschen im Mittel und wie berechnet sich dieser Wert? Und wie groß sind die Gehaltsunterschiede wirklich?
Deutsche Arbeitnehmer verdienen im Schnitt 47.700 Euro brutto. Berufsgruppen wie Pfleger und Pflegerinnen oder Kinder- und Jugendhelfer sind in der Realität aber weit von solch einem Gehalt entfernt, obwohl sie zu den systemrelevanten Berufen gehören. Wie entsteht diese Summe und was ist das Durchschnittseinkommen überhaupt?
Beim Durchschnittseinkommen handelt es sich um den Mittelwert der Bruttogehälter aller rentenversicherten Arbeitnehmer in Deutschland. Jedes Jahr erhebt das Statistische Bundesamt die Summe des Durchschnittseinkommens.
Das Statistische Bundesamt benennt das durchschnittliche Bruttoeinkommen aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland, also das sogenannte Arithmetische Mittel. Aussagekräftiger wäre jedoch der Median. Der Median, oder auch Zentralwert genannt, ist derjenige Messwert, der genau in der Mitte aller einzelnen Daten liegt, wenn man die Messwerte der Größe nach sortieren würde.
Mit dieser Methode würden Ausreißer wie die Gehälter von Großverdienern keinen Einfluss auf den Durchschnitt haben. Das Arithmetische Mittel hingegen zeigt an, was alle zusammen verdienen und teilt es durch die Anzahl der Arbeitnehmer. Damit gleicht statistisch gesehen ein Millionengehalt viele geringe Gehälter aus.
Das Durchschnittsgehalt 2020 betrug 47.700 Euro brutto. Das ist ein Minus von 300 Euro im Vergleich zum Vorjahr, dafür war auch die Pandemie verantwortlich. Für einen Vollzeit-Job gibt es nach aktuellem Wert ein Bruttogehalt von 3975 Euro im Monat. Für eine Person, die in Baden-Württemberg lebt und sich in der Steuerklasse I befindet, ergibt das 2526,26 Euro, nach Steuern. Sonderzahlungen, wie zum Beispiel Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder Gratifikationen, sind hier nicht berücksichtigt.
Zwischen den verschiedenen Branchen gibt es teilweise große Gehaltsunterschiede. Arbeitnehmer aus den Branchen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Information und Kommunikation oder Energieversorgung gehörten 2020 zu denen mit den höchsten Durchschnittsgehältern. Hier bekamen die Beschäftigten im Monat durchschnittlich zwischen 5218 und 5602 Euro brutto. Angestellte aus dem Gastgewerbe verdienten mit 1893 Euro brutto am wenigsten im Durchschnitt.
Das Geschlecht ist ein zusätzlicher Faktor, der das Durchschnittsgehalt beeinflusst. In Deutschland erhielten Frauen auch 2020 weniger Geld für die gleiche Arbeit als Männer. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen bei vollzeitbeschäftigten Männern lag bei 22,78 Euro in der Stunde. Bei Frauen in Vollzeit waren es lediglich 18,62 Euro. Das ergab eine Auswertung des Online-Statistikportals Statista.
Die Unterschiede hängen vom Geschlecht in Verbindung mit der Branche zusammen. Dafür muss man sich die Gehaltsniveaus der Branchen ansehen. In den Bereichen Finanzdienstleistung, IT und Industrie sind die Gehälter am höchsten, das sind auch traditionell männerdominierte Branchen. Bereiche, die in der Regel von Frauen dominiert sind, wie Pflege oder Sozialarbeit, gehören zu den schlecht bezahlten Branchen in Deutschland.
Der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern ist nicht nur von der Branche abhängig. Wenn eine Frau und ein Mann den gleichen Job haben, verdient die weibliche Angestellte in der Regel weniger als ihr männlicher Kollege. Trotz gleicher Berufserfahrung und Leistungsfunktion. Im Durschnitt liegt der Unterschied bei sechs Prozent. „Diese Zahl spiegelt die Diskriminierung von Frauen wider“, erklärt Malte Lübker, Experte für Lohnstrukturen am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler- Stiftung.
Die Branche und das Geschlecht sind also zwei große Einflussfaktoren für das Durchschnittsgehalt. Wie sieht es aber mit den regionalen Unterschieden aus, wie groß ist das Gefälle zwischen den Bundesländern?
Das Statistische Bundesamt ermittelte, dass unter allen 16 Bundesländern, in Hamburg mit 4966 Euro durchschnittlich die höchsten Bruttogehälter gezahlt werden. Danach folgen Hessen und Bayern auf Platz zwei und drei. Das Schlusslicht bildet Mecklenburg-Vorpommern. Dort verdienen Vollzeitbeschäftigte mit 3379 Euro brutto im Monat am wenigsten.
In den Bundesländern der ehemaligen DDR werden immer noch die schlechtesten Gehälter gezahlt. Das hat sich auch nach 30 Jahren Wiedervereinigung nicht geändert. Die neuen Bundesländer belegen die Plätze 12 bis 16.
Wie sieht es mit den Einkommen in unseren europäischen Nachbarstaaten aus? Eine Studie der Gfk zur Kaufkraft, ermittelte dazu Zahlen aus den EU-Ländern. Dafür wurden Daten aus 42 europäischen Ländern zur Pro-Kopf-Kaufkraft herangezogen.
Als Kaufkraft wird das in privaten Haushalten für Konsumzwecke verfügbare Einkommen bezeichnet, also die Summe, die pro Haushalt vom Einkommen verbleibt, nachdem alle regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen bedient wurden.
Dort lag Deutschland mit 22.388 Euro netto im Durchschnitt auf Platz acht. Spitzenreiter in Europa ist Liechtenstein mit 64.240 Euro. Die Schweiz liegt mit 41.998 Euro auf Platz zwei, gefolgt von Luxemburg mit 34.119 Euro. Das Schlusslicht mit 1703 Euro netto pro Jahr bildet die Ukraine und liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt, der 13.894 Euro beträgt. 16 Länder befinden sich über dem Durchschnitt.
In Europa verzeichnete die Pro-Kopf-Kaufkraft 2020 einen Rückgang von ca. 5,3 Prozent zum Vorjahr. Grund dafür ist vor allem die Ausbreitung des Coronavirus und der darauffolgende Wirtschaftseinbruch. Im Durschnitt hatten die Europäer damit 773 Euro weniger zur Verfügung als noch 2019.
Aber auch hier gilt: Für das Durchschnittseinkommen wäre der Median aussagekräftiger.
Veröffentlicht
23.07.2021