© Igor Emmerich / Corbis
Wenn Du von einem Job in den USA träumst oder innerhalb einer von amerikanischer Unternehmenskultur geprägten Firma vorankommen willst, wird man sehr wahrscheinlich früher oder später Deinen Charakter genau unter die Lupe nehmen. Dort ist der Persönlichkeitstest nach Myers-Briggs weit verbreitet.
Mache Dich mit dessen Prinzip vertraut, dann kommst Du gut durch. Wir zeigen Dir, worauf es ankommt.
Als ob das Vorstellungsgespräch und womöglich ein Assessment Center nicht schon genug Kraft und Nerven kosten würden: Viele Unternehmen aus dem angloamerikanischen Raum setzen häufig noch einen drauf, bevor sie Bewerbern eine Stelle zusagen oder Mitarbeiter befördern. Sie versuchen mit Persönlichkeitstests herauszufinden, wie es um die angeblichen Soft Skills der Kandidaten tatsächlich bestellt ist. Zweck der Übung: Man will sichergehen, dass Du ins Team passt und die richtigen Eigenschaften mitbringst, die Du für kommende Aufgaben brauchst. Wer Entscheidungen scheut, eignet sich schließlich kaum als Führungskraft und besonders introvertierte Zeitgenossen feiern in Marketing oder Vertrieb vermutlich schwerlich große Erfolge. Anfang der 1960er-Jahre entwickelten die beiden Psychologinnen Myers und Briggs dafür den gleichnamigen Test: Myers-Briggs-Typenindikator, kurz MBTI. Bis heute ist er der am häufigsten angewandte Persönlichkeitstest. MBTI – was ist das? Seit dem Altertum versuchen Philosophen und Gelehrte herauszufinden, was die Menschen antreibt, und anhand dessen wesentliche Charakterzüge zu kategorisieren. Auf Hippokrates geht die Lehre von den vier Temperamenten zurück: Demnach sind Sanguiniker aktiv und heiter, Phlegmatiker passiv und schwerfällig, Melancholiker nachdenklich und schwermütig, Phlegmatiker aufbrausend und reizbar. Sigmund Freud sah den Sexualtrieb als Triebfeder menschlichen Handelns, Friedrich Nitzsche den Willen zur Macht. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Carl Gustav Jung die analytische Psychologie und seine Theorie der acht „psychologischen Typen“. Daran schlossen Katharine Briggs und ihrer Tochter Isabel Myers an: Mit dem von ihnen erdachten und vermarkteten MBTI-Test soll man Jungs psychologische Typen ermitteln können.
Der Myers-Briggs-Typenindikator unterscheidet acht charakteristische Wesenszüge in vier Kategorien, alle sind miteinander kombinierbar. Die Teilnehmer bei MBTI-Tests bekommen ihre Merkmale als vierstellige Buchstabenkombinationen zugewiesen. Das Ergebnis des MBTI-Tests ist also einer von insgesamt 16 möglichen Persönlichkeitstypen.
Introvertierte Menschen überdenken Dinge gründlich, bevor sie handeln; sie können sich gut konzentrieren und gelten als zurückhaltend, als zu viel empfundenes soziales Miteinander kostet sie Überwindung und Kraft. Extrovertierte dagegen suchen Kontakt, sie sind aktiv, energisch, enthusiastisch und häufig dominant.
Intuitive Geister verlassen sich auf ihren sechsten Sinn, sie achten eher auf das Ganze als auf dessen Teile und erspüren gute Möglichkeiten. Häufiger anzutreffen sind Sensoriker: Sie sind realistisch, orientieren sich in erster Linie an Fakten, und misstrauen Ahnungen und Eingebungen.
Hier geht es darum, wie Entscheidungen getroffen werden: Fühlende lassen sich von ihren Emotionen, Idealen und Werten leiten. Denker lieben Klarheit, sie handeln logisch und rational. Es heißt, zwei Drittel der Denker seien Männer und etwa ebenso viele Frauen wären Fühler.
Hier ist die Frage, wie sicher man Entscheidungen trifft, und ob man zu ihnen steht: Urteilende Persönlichkeiten handeln strukturiert und lieben Ordnung, sie sind diszipliniert, dominant, entscheidungsfreudig und üben gerne Kontrolle aus. Den eingeschlagenen Weg verfolgen sie auch unter widrigen Umständen, Spontaneität ist nicht ihr Ding. Wahrnehmende Menschen (Perceiving) agieren eher spontan, sie passen sich neuen Umständen an und überdenken Entscheidungen, wenn die Sachlage sich ändert. Sie improvisieren gut, neigen aber zur Unordnung. Idealkandidat für eine zu besetzende Führungsposition wäre demnach vermutlich eher ein „ESTJ“- als ein „INFP“-Typ. Und eine „ENTJ“-Persönlichkeit könnte der willkommene Anwärter für eine Vertriebsposition sein. Teilnehmer an MBTI-Tests bekommen eine Vielzahl solcher oder ähnlicher in englischer Sprache formulierten Fragen gestellt:
Bewerber und ambitionierte Mitarbeiter anhand mehr oder weniger objektiver Kriterien auf ihre Teamtauglichkeit zu prüfen, ist ein interessanter und im Grunde nachvollziehbarer Ansatz. Der MBTI-Test ist urheberrechtlich geschützt, praktizieren dürfen ihn deshalb nur zertifizierte Berater gegen Gebühr. Ihn zur Vorbereitung auf eigene Faust auszuprobieren, ist daher mit Kosten und Mühe verbunden. Wenn Du stattdessen im Internet nach „Persönlichkeitstest“ oder „Typentest“ suchst, wirst Du rasch kostenlose Alternativen finden, die nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren. Diese auszuprobieren ist einfach und macht Spaß. Am Myers-Briggs-Typenindikator selbst gibt es Kritik: Im Kern geht es dabei darum, dass das Verfahren von Laien-Psychologinnen erfunden und seit 60 Jahren nicht weiterentwickelt wurde. Der MBTI-Test gilt als unwissenschaftlich und als zu kategorisch. Es wird bemängelt, dass er keine Zwischentöne erlaubt und infolgedessen abseits der genannten Zuordnungen keine Zwischentypen kennt. Zudem kann das Absolvieren des Tests in einer Fremdsprache zu ungenauen Ergebnissen führen. Falls Du Dich einem MBTI-Test unterziehen musst, versuche Dich nicht sich zu verstellen. Natürlich kannst Du die Fragen so beantworten, dass sich ein zu der von Deiner angestrebten Stelle passendes Persönlichkeitsprofil ergibt. Später am Arbeitsplatz wirst Du aber Dein wahres Gesicht zeigen. Und wenn Du Dich bei einer deutschen Firma bewirbst, ist alles gut – denn dann geht dieser Kelch wohl ohnehin an Dir vorbei. Der MBTI kann ein weiterer Baustein im Bewerbungsprozess sein. Am Anfang musst Du natürlich mit Deinen Bewerbungsunterlagen, wie Deinem Lebenslauf überzeugen. Jetzt Lebenslauf erstellen
Veröffentlicht
19.02.2016