Speed Recruiting Event in Hamburg

© Antonia Thiele / CONE

Speed Recruiting: In drei Minuten zum neuen Job?

Hier ist der erste Eindruck tatsächlich oft entscheidend: Beim Speed Recruiting haben Bewerber nur wenig Zeit, einen potentiellen Arbeitgeber zu überzeugen. Wir haben eine Kandidatin beim Blitz-Jobmeeting begleitet.


Glockenläuten, Stühlerücken, Händeschütteln: Die SMC School for Communication and Management lädt zum Speed Recruiting der Agenturwelt. Wie beim Speed Dating für die Partnerwahl unterhalten sich Bewerber und Agenturen beim „STELL-MICH-EIN“ jeweils drei Minuten lang, dann tauschen die Bewerber die Stühle und rücken zum nächsten Tisch auf. Und wie beim Speed Dating kann man sich nie ganz sicher sein, ob das Gegenüber das Gleiche will wie man selbst: Die meisten der Bewerber hier sind auf der Suche nach etwas Festem, einige Personaler wollen eher unbestimmt gucken, was der Markt so hergibt. Mehr als 300 Bewerbungen sind den Organisatoren zufolge für die drei diesjährigen Veranstaltungen in Hamburg, Berlin und Düsseldorf eingegangen, in den Kategorien Design, Text, Beratung und Social Media. Melanie Kaiser (s. Foto unten) gehört zu 30 Bewerbern, die sich in dem Hamburger Hostel Superbude neun Agenturen vorstellen. Je drei Minuten Gespräch, am Ende kommt es darauf, ob es gefunkt hat. Melanie beendet Ende September ihre Ausbildung an der Texterschmiede Hamburg, sie sucht eine Stelle als Junior Texterin. Noch ist ihr keine AufregungSpeed-Recruiting-Teilnehmerin Melanie Kaiser© Antonia Thiele / CONE anzumerken. „Klar, es kann immer mal eine komische Frage kommen. Aber ich mache mir einfach nicht so viele Gedanken und reagiere spontan“, sagt die 25-Jährige. Im Aufenthaltsraum des Hostels sitzen die Bewerber in Gruppen zusammen, unterhalten sich. Manche haben Laptops dabei, wollen die drei Minuten mit einer Präsentation ihrer bisherigen Arbeit füllen. Eine Glocke läutet. Sie kündigt den Beginn der dritten Gesprächsrunde an, zu der auch Melanie gehört. Die Bewerber begeben sich zu den Tischen, an denen bereits je zwei oder drei Mitarbeiter der Agenturen sitzen. Die Glocke wird jetzt alle drei Minuten läuten, dann rücken die Kandidaten – wie beim Speed Dating – auf zum nächsten Tisch. Wie alle anderen Bewerber hat Melanie zunächst online einen Fragebogen ausgefüllt und Auskunft gegeben zu Ausbildung und Praktika. „Für die Agenturen ist das Speed Recruiting zeitsparend: Wir leisten die Vorarbeit, sie bekommen die Bewerber präsentiert“, sagt Steven Hille, der Organisator. „Bewerber wiederum haben mit einer einzigen Bewerbung die Chance auf bis zu zehn Vorstellungsgespräche.“ Da gilt es nicht nur für die Agenturen, sondern auch für die Bewerber, den Überblick zu behalten. Bei der Werbeagentur Kolle Rebbe bekommt Melanie deshalb ein Polaroid als Visitenkarte. Mit den beiden Mitarbeiterinnen soll sie sich für das Foto aufstellen. Melanie kennt eine der Frauen bereits aus ihrem Praktikum in der Agentur, spannend ist die Situation trotzdem, denn Kolle Rebbe gefällt ihr gut, sie könnte sich vorstellen, für die Agentur fest zu arbeiten. Deshalb will sie natürlich in Erinnerung bleiben. Melanie klappt ihren Laptop auf, zeigt ein Guerilla-Projekt, das sie mit Kommilitonen an der Uni umgesetzt und es so auch in die Zeitung geschafft hat. „Und hier ist meine besondere Visitenkarte“, sagt sie und hinterlässt an jedem Tisch Postkarten mit den Kampagnenbildern, auf die sie ihre Kontaktdaten geschrieben hat.

Nach drei Minuten Speed Recruiting weiß man, ob die Chemie stimmt

Am Tisch der Agentur Serviceplan klingelt die Glocke viel zu schnell. Die Personalerin streckt die Hand nach Melanies Laptop aus und klickt schnell noch selbst durch die Präsentation. Eine englischsprachige Arbeit für die Lufthansa hat ihr Interesse geweckt. „Ich suche gerade Leute für eine internationale Kampagne. Schick‘ mir unbedingt deine Mappe“, sagt sie zu Melanie, dann steht schon der nächste Kandidat am Tisch und fordert seine Redezeit ein. Um die angebotenen Kekse und Gummibärchen zu essen, bleibt kaum einem Kandidaten Zeit. „Der erste Eindruck ist entscheidend. Nach drei Minuten wissen meist beide Seiten, ob die Chemie generell stimmt“, sagt Hille. Aber dennoch: Die Zeit ist knapp, bislang hat noch nie jemand direkt nach dem Drei-Minuten-Gespräch einen Vertrag unterschrieben. Das wird auch Melanie an diesem Abend nicht passieren. Sie setzt auf das Get Together, das nach den Gesprächsrunden angesetzt ist. „In den drei Minuten geht es erst einmal nur um die Persönlichkeit und die Arbeitserfahrung, später kann man sich dann besser austauschen“, sagt sie. Das Get Together nutzen viele Agenturen, um die Bewerber, die einen guten Eindruck hinterlassen haben, zu einem ausführlicheren Gespräch einzuladen. „Im Schnitt werden so pro Event fünf bis sechs Bewerber von Agenturen eingestellt“, sagt Hille. Noch ein Tisch, die vorgegebene Sprechzeit pro Agentur wird schon seit einigen Runden nicht mehr so genau eingehalten. „Langsam wird mein Mund trocken“, sagt Melanie und guckt auf ihre letzten Gesprächspartner. „Auf der Seite des Tisches würde ich ja auch gern mal sitzen.“

Mal echtes Interesse, mal oberflächliches Geplauder

Cindy Henke kennt beide Seiten: 2013 war die heute 28-Jährige beim ersten „Stell' mich ein“ dabei. „Als Bewerber hat man das Bedürfnis, ganz schnell zu reden und möglichst viel Informationen in die Zeit hineinzupressen“, sagt sie im Rückblick. „Bei einigen Agenturen verging die Zeit wie im Flug, mit anderen hatte ich mir schon nach eineinhalb Minuten nicht mehr viel zu sagen.“ Inzwischen ist Cindy Henke Leiterin für Beratung und Accountmanagement bei Panorama 3000. „Den Anstoß dafür hat das Speed Recruiting gegeben, auch wenn im Anschluss noch einmal ein längerer Prozess folgte bis ich die Stelle hatte.“ Zwei Jahre später ging sie dann selbst für Panorama 3000 auf Nachwuchssuche beim Speed Recruiting. „Wenn die Bewerber Jedem das gleiche erzählen, ohne sich mit den einzelnen Agenturen auseinandergesetzt zu haben, kommt das nicht gut an. Es muss persönlich stimmen. Das merkt man nur, wenn ein echtes Gespräch zustande kommt.“ Melanies Unterhaltungen laufen wechselhaft. Mal kommt das Gespräch in Schwung, dann geht es um Melanies Heimat Stuttgart, Käsespätzle und echtes Interesse an ihrer Präsentation. An anderen Tischen bleibt die Konversation eher oberflächlich. Ganz konkret wird es bis zum Schluss nicht für Melanie. Aber einige Agenturen wollen mehr von ihrer Arbeit sehen, haben sie um ihr Portfolio gebeten. „Meine Mappe werde ich jetzt sicher noch einige Male verschicken“, sagt Melanie. Für die 25-Jährige hat sich der Abend gelohnt: „Es hat Spaß gemacht.“ Neue Kontakte haben die Bewerber geknüpft, für einige steht auch eine Stelle in Aussicht. Aber für etwas Festes sind drei Minuten Gespräch wohl doch nicht mehr als ein Anfang. Eine Reportage von Antonia Thiele


Veröffentlicht
18.07.2017