Väterchen Staat wird bei Deutschlands Studenten immer
beliebter - jedenfalls als Arbeitgeber: 41 Prozent zieht es nach einer Befragung der
Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) in den
öffentlichen Dienst. Das sind deutlich mehr als bei der letzten Studie vor zwei Jahren (32 Prozent).
Die
Automobilindustrie dagegen – vor zwei Jahren mit 22 Prozent noch drittbeliebtester Arbeitgeber – ist nur noch für acht Prozent der Studenten attraktiv. Weiterhin hoch oben in der Gunst stehen
Kultureinrichtungen (22 Prozent; 2016: 23 Prozent) und
Wissenschaft (20 Prozent; 2016: 18 Prozent).
Die hohe Attraktivität des öffentlichen Dienstes dürfte vor allem auch auf
das Bedürfnis der Studenten nach Sicherheit zurückzuführen sein: Über die Hälfte (57 Prozent) nennt
Jobsicherheit als wichtigsten Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers – damit ist dieser Aspekt das wichtigste Kriterium bei der Wahl des Arbeitsplatzes.
Gehalt und mögliche Gehaltssteigerungen sind für 44 Prozent wichtig,
Kollegialität wird von 41 Prozent genannt.
Dass ihnen der öffentliche Dienst zwar Sicherheit bietet, allerdings auch ein vergleichsweise geringes Gehalt, ist den Studenten durchaus bewusst: Das Einstiegsgehalt, das sie im öffentlichen Dienst erwarten, liegt mit durchschnittlich
37.500 Euro noch unter dem Durchschnitt aller Branchen von 37.900 Euro. Das höchste Einstiegsgehalt erwarten sie bei den
Banken (
40.100 Euro) in der
Industrie (40.000 Euro) und in der
Automobilindustrie (39.500 Euro).
Warum die Jobwünsche der Studenten so ausfallen, ist für Experten unklar
Oliver Simon, Leiter der Personalabteilung von
EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz interpretiert die Ergebnisse der Studie so: „Junge Berufsanfänger in Deutschland haben während ihrer Studienzeit wirtschaftlich eigentlich nur eines erlebt: Es ging immer weiter nach oben, die Konjunktur entwickelte sich gut, die Arbeitslosigkeit ging massiv zurück.
Heute suchen die Firmen dringend Fachkräfte. Hochschulabsolventen finden in dieser Situation
vergleichsweise einfach einen Job. Daher ist es schon verwunderlich, dass sie so auf Sicherheit bedacht sind und offenbar das
Risiko weitgehend scheuen.“
Auf der anderen Seite sei die
Unsicherheit in der Industrie derzeit wiederum sehr hoch, da die
Digitalisierung ganze Geschäftsmodelle verändert und die Konvergenz der Branchen beschleunigt. „Ganze Branchen sind im Umbruch begriffen. Start-ups können mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen bisherige Gewissheiten auf den Kopf stellen. Der öffentliche Dienst wirkt da
wie ein Hort der Beständigkeit inmitten des Umbruchs.“ Bei der Autoindustrie kämen derzeit mehrere Faktoren zusammen: „Möglicherweise hat die Dieselkrise auch einige potenzielle Bewerber abgeschreckt. Gravierender dürfte allerdings sein, dass
Ingenieure inzwischen vermehrt in die IT streben.“
„Die Digitalisierung führt dazu, dass die Software- und IT-Komponenten von Produkten und Maschinen immer wichtiger werden. Das hat auch
Auswirkungen auf die Studienfachwahl der jungen Menschen“, so Simon. „Software-Ingenieure werden in nahezu allen Branchen gesucht, weil mittlerweile alles vernetzt ist.“
Deutliche Verschiebungen gibt es vor allem bei der
Branchenpräferenz männlicher Studenten: Bei ihnen hat der öffentliche Dienst die Automobilindustrie als Top-Branche abgelöst hat. 32 Prozent von ihnen bezeichnen den öffentlichen Dienst als besonders attraktiv, nur noch 12 Prozent die Automobilindustrie, die damit nicht einmal mehr unter den Top-5-Branchen auftaucht. Stattdessen zieht es Männer in die
Wissenschaft (19 Prozent), die sonstige Industrie (18 Prozent), sowie die IT-Branche oder Kultureinrichtungen (jeweils 17 Prozent).
Bei den
Frauen bleiben die bisherigen Jobwünsche in der Reihenfolge gleich, allerdings wird der öffentliche Dienst auch für sie immer wichtiger: Fast die Hälfte der Studentinnen (48 Prozent) zieht es mittlerweile dorthin. 28 Prozent finden Kultureinrichtungen attraktiv für ihre beruflichen Pläne, 21 Prozent die Wissenschaft.
Selbst bei
Studenten mit Top-Leistungen, die also auf dem Arbeitsmarkt beste Chancen hätten, ist der öffentliche Dienst attraktiv wie nie. 41 Prozent von den Studenten mit überdurchschnittlichen Studienleistungen zieht es in den öffentlichen Dienst. Bei der vorherigen Befragung waren es nur 22 Prozent.
„Auf der einen Seite ist es natürlich erfreulich, dass sich viele der besten Studenten in den Staatsdienst begeben wollen. Es gibt allerdings zu denken, dass die
freie Wirtschaft trotz besserer Bezahlung für viele junge Menschen offenbar
nicht allzu attraktiv ist. In den Unternehmen entstehen die Innovationen und Produkte, die Deutschlands Wirtschaft weltweit so erfolgreich gemacht haben. Dafür brauchen sie aber auch kluge Köpfe. Die
Unternehmen sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie weiter für Berufsanfänger attraktiv sein können.
Geld alleine reicht dafür nicht“, sagt Simon abschließend.
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