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Bei der Arbeit nur noch Augen für den Kollegen? Oder ist der Flirt mit der Kollegin längst mehr als das? Sich am Arbeitsplatz zu verlieben, kann Probleme mit sich bringen. Muss es aber nicht.
Einen Großteil des Tages verbringen Berufstätige bei der Arbeit. Immer umgeben von denselben Kolleginnen und Kollegen. Gemeinsam bearbeitet man Aufgaben, erreicht Ziele oder scheitert an ihnen. Das schweißt zusammen. Aber was, wenn aus dem professionellen Verhältnis irgendwann ein romantisches Knistern wird?
Behält man seine Gefühle für sich? Oder offenbart man seiner Kollegin oder seinem Kollegen die Schwärmerei? Das kommt darauf an, sagt Madeleine Leitner, Diplompsychologin und Karrierecoach aus München.
Zum einen auf die Ausgangssituation: Sind die Beteiligten single, ist die Konstellation erst einmal unproblematisch. Ist einer von beiden oder sind sogar beide vergeben oder verheiratet, wird die Situation schnell heikel. Erst recht, wenn es hierarchische Abhängigkeiten gibt.
Daneben kommt es laut Leitner darauf an, wie man selbst Gefühle entwickelt: Ver- und entliebt man sich schnell? Oder sind die Gefühle sehr ernst zu nehmen, wenn sie aufkommen?
Wer das Thema offen anspricht, muss sich bewusst sein, dass das Gesagte anschließend schwer zurückzunehmen ist. Leitner rät, erst mit einem Scherz unverbindlich vorzufühlen, wie die Kollegin oder der Kollege reagiert. Treffen die Gefühle auf Gegenliebe? Oder biegt das Gegenüber subtil ab? So haben beide die Chance, ihr Gesicht zu wahren.
Christoph Burger, Diplompsychologe und Karriereberater, rät bei Unsicherheit zum Mittelweg: Zeit vergehen lassen, klare Kommunikationssignale definieren und die Reaktion des oder der Auserwählten abwarten. Und erst dann entscheiden, ob man die Person darauf anspricht. «Ob die Folgen die erwünschten sein werden? Dafür gibt es leider keine Garantie.»
Werden die Gefühle nicht erwidert, braucht es laut Burger klare Absprachen, wie es weitergehen soll. Sind gemeinsame Projekte noch vorstellbar? Und wenn ja, mit welchen Regeln? Kam es durch unverbindliche Flirterei zu dem unglücklichen Missverständnis? Dann muss klar sein: Damit ist jetzt Schluss.
Was aber, wenn die Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen? Hält man eine Partnerschaft besser geheim oder geht man offen damit um? Das hängt von der Firmenkultur und den Beteiligten ab, sagt Leitner. Die Psychologin kennt Unternehmen, in denen Beziehungen zwischen Mitarbeitern offiziell unerwünscht sind. Immerhin verändern Beziehungen einiges innerhalb des Teamgefüges. Es gibt aber auch Firmen, die Partnerschaften am Arbeitsplatz unterstützen.
Wichtig sei eine klare gemeinsame Haltung, sagt Burger. Außerdem sollten vor der Bekanntmachung mögliche Szenarien durchgespielt werden. Ist klar, wie es für alle Beteiligten gut weitergehen kann, kann die Beziehung laut Burger öffentlich gemacht werden. Geht es um eine Affäre, rät Leitner, das besser unter Verschluss zu halten.
Das Paar kann sich darauf einstellen, dass es nach Offenlegung des Beziehungsstatus mit Argusaugen beobachtet wird. Leitner rät, vor allem zu Beginn überkorrekt zu sein. Das bedeutet: keine vertraulichen beruflichen Dinge mit dem Partner oder der Partnerin besprechen. Und anders herum auch keine privaten Dinge in der Firma ausfechten.
«Was keiner braucht: Verliebte, die meinen, alle Welt müsse den erfreulichen, schwierigen oder gar intimen Aspekten ihres Privatlebens beiwohnen», sagt Burger. Idealerweise sollte eine Beziehung unter Arbeitskollegen keinerlei negative Auswirkungen auf den Job haben.
Rein rechtlich sind Beziehungen oder Affären am Arbeitsplatz nicht verboten. «Der Chef kauft die Arbeitskraft, nicht das Liebesleben seiner Mitarbeiter», sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin. Nur wenn die Qualität der Arbeitsleistung leidet oder sittliche Gebräuche verletzt werden, könne der Arbeitgeber mit Abmahnung oder Kündigung reagieren.
Trotzdem sind intime Beziehungen zwischen Mitarbeitern laut Bredereck nicht gerne gesehen. Ärger folge dann oft indirekt, zum Beispiel über berufliche Nachteile. Es gebe Unternehmen, die zum Beispiel mit Anzeigepflichten oder Dateverboten Beziehungen unter Mitarbeitern unterbinden wollen.
Das sei zwar unwirksam, führe aber trotzdem zu großem Druck auf die Betroffenen. «Kein schönes Bild, wenn man bedenkt, dass sich fast ein Drittel aller Paare über die Arbeit kennenlernen.»
Richtig komliziert kompliziert werden Flirts, Affären oder Beziehungen über Hierarchieebenen hinweg. Job und Privatleben, so sagt Christoph Burger, vermischen sich dabei fast zwangsläufig. Bahnt sich ein solches Verhältnis an, ist oberste Vorsicht geboten: Schon ein loser Flirt könne die Karriere fatal ins Aus katapultieren.
Und auch vor dem Scheitern ist am Ende keine Beziehung gefeit. Im Job gilt es dann, professionell damit umzugehen. «Offener Streit, vergiftete Atmosphäre zwischen den Expartnern, komplizierte Kommunikation mit doppeltem Boden - all derlei ist tabu», so Burger.
Veröffentlicht
05.05.2022
Author:in
Christoph Jänsch