Zeugnisbrauch Ein Zwischenzeugnis sollte kein Gefälligkeitsschreiben sein

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Der Rat der Weisen: Gefährliches Zwischenzeugnis

Wer für seine nächste Bewerbung ein Zwischenzeugnis beantragt, sollte damit sehr vorsichtig sein. Denn manchmal kann das Schreiben sogar der Karriere schaden, warnt unser Weise Claus Peter Müller-Thurau.


"Der Rat der Weisen" von Bewerbung.com ist eine Gruppe hochkarätiger Personal- und Karriereexperten, die an dieser Stelle regelmäßig Themen rund um  Bewerbung, Gehalt und Karriere behandelt. Unser Weise Claus Peter Müller-Thurau* befasst sich heute mit dieser Frage:

"Herr Müller-Thurau, was ist bei einem Zwischenzeugnis zu beachten?"

Claus Peter Müller-Thurau: "Zwischenzeugnisse können brandgefährlich sein. Manche Bewerber verderben sich die Chance zur Einladung zum Vorstellungsgespräch durch ein Zwischenzeugnis. Wie kann das sein? Die entscheidende Frage für den Personaler lautet, warum das Zeugnis überhaupt erstellt wurde. Und wenn man im Abspann liest, dass „dieses Zwischenzeugnis auf Wunsch von Herrn Bachmann“ ausgestellt wurde, ist das bedenklich. Hier hat also ein Mitarbeiter vorzeitig seinen Arbeitgeber wissen lassen, dass er von einem Abwanderungswunsch beseelt ist. Na toll, wird sich dieser gesagt haben – Reisende soll man nicht aufhalten! Der angestrebte neue Job kann aber noch eine Weile auf sich warten lassen und in dieser Zeit gilt man im Betrieb als jemand, der „auf dem Sprung“ ist. Zwar ist der rechtliche Arbeitsvertrag weiterhin in Kraft, aber der "psychologische" Arbeitsvertrag gilt als aufgekündigt. Und was ist, wenn sich der Veränderungswunsch gar nicht realisieren lässt? Dann fristet man im Betrieb das freudlose Dasein eines Gespenstes – das des „innerlich Gekündigten“.

Ein guter Personaler erkennt die Absicht hinter einem Zwischenzeugnis

Manche Zwischenzeugnisse haben überdies eine „Weglob-Funktion“. Der Arbeitsplatz steht auf der Kippe und eine Abfindung im Raum und so ist denn das Unternehmen dem Betroffenen gern dabei behilflich, in einem anderen Betrieb unterzukommen – mit einem vermeintlich unwiderstehlichen Zwischenzeugnis. Ein guter Personaler hat dafür allerdings eine Witterung und lässt sich nicht auf eine falsche Fährte locken. Wann sollte man seinen Arbeitgeber um ein Zwischenzeugnis bitten? Wenn...

  • der Vorgesetzte wechselt,
  • das Unternehmen fusioniert,
  • die Rechtsform des Unternehmens sich ändert,
  • das Unternehmen umstrukturiert wird,
  • das persönliche Aufgabenfeld sich ändert,
  • ein Auslandseinsatz vorgesehen ist,
  • man befördert wurde oder
  • das Unternehmen sich im Insolvenzverfahren befindet.

Es ist also ein betriebsinterner Grund für die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses zu benennen. Wenn ein Betrieb seinen Mitarbeitern turnusmäßig ein Zwischenzeugnis ausstellt, ist das natürlich auch in Ordnung. „Auf eigenen Wunsch“ aber geht gar nicht." 

Der Rat der Weisen: Mit 52 ist nicht alles vorbeiDer Rat der Weisen: Gefährliches ZwischenzeugnisDer Weise: Claus Peter Müller-Thurau ist Diplom-Psychologe und als Human-Resources-Manager tätig. Nach dem Studium startete er als Personalberater bei der schwedischen Beratungsfirma Mercury Urval GmbH, danach wurde er Leiter der Personalentwicklung und Nachwuchsförderung im Axel Springer Verlag und später Geschäftsführer der Personal- und Unternehmensberatung Selecteam GmbH. Müller-Thurau ist Dozent an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Hamburg und hält Vorlesungen in den Fächern HR-Organisation und HR-Personalwirtschaft. Als Autor hat er im Haufe Verlag Titel wie "Bewerbungstipps und -tricks" und "101 Fragen und Antworten im Vorstellungsgespräch" publiziert. Mehr unter www.mueller-thurau.de


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Veröffentlicht
18.04.2017