© Monty Rakusen / Getty Images
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet Arbeitgeber, die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter zu erfassen. Unser Kooperationspartner anwalt.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema Zeiterfassung.
Mit Urteil vom 14.05.2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Entscheidung getroffen, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein System zu schaffen, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter erfasst werden kann. Zur Begründung führten die Luxemburger Richter an, dass so ein besserer Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet wird. Die Vorgaben des EuGH sind in Deutschland bisher noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Dennoch trägt das Urteil auch jetzt schon dazu bei, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und Ausgleich geleisteter Überstunden einfacher durchgesetzt werden können. Als Arbeitnehmer sollten Sie daher Ihre Arbeitszeiten zumindest selbst exakt schriftlich dokumentieren, falls an Ihrem Arbeitsplatz noch keine automatische Zeiterfassung, etwa online oder in Form einer App, existiert. Zudem ist es wichtig, dass Sie über die gültigen arbeitsrechtlichen Regelungen zu Themen wie Höchstarbeitszeit oder Arbeitspausen Bescheid wissen.
Es existiert keine konkrete Vorschrift, wie viele Überstunden Beschäftigte höchstens machen dürfen. Die Anzahl der pro Tag und Woche zulässigen Arbeitsstunden ist jedoch im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in § 3 festgelegt. 8 Stunden pro Tag stellen einen Richtwert für Arbeitnehmer dar, mehr als 10 Arbeitsstunden täglich sind in der Regel nicht erlaubt. Die Höchstarbeitszeit pro Woche darf normalerweise nicht mehr als 48 Stunden betragen. Jedoch lässt das Arbeitszeitgesetz anderslautende Regelungen durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung zu. Außerdem können auch für gewisse Branchen abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, verfügt dieser über ein Mitbestimmungsrecht bei der Regelung der Überstunden der Belegschaft.
Die beschriebenen Bestimmungen sind jedoch nicht nur auf die regulären Arbeitsstunden anzuwenden, da sie auch die Überstunden umfassen. Wenn Ihr Arbeitgeber zum Beispiel zwei Überstunden täglich bei einem Vollzeitjob mit fünf Arbeitstagen wöchentlich fordert, hält er die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes nicht ein. Schließlich werden so die pro Woche zulässigen 48 Arbeitsstunden überschritten. Ihre Tagesarbeitszeit darf sich allerdings auf maximal zehn Stunden belaufen, wenn sie binnen sechs Kalendermonaten oder binnen 24 Wochen durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden je Werktag beträgt. In diesem Fall kann Ihre Wochenarbeitszeit auch auf bis zu 60 Stunden verlängert werden.
Nach getaner Arbeit muss Ihnen eine Zeitspanne von mindestens elf Stunden am Stück zur Erholung zugestanden werden. Können Sie erst um 22 Uhr Feierabend machen, kann Ihr Arbeitgeber also nicht fordern, dass Sie am kommenden Tag bereits um 8 Uhr wieder Ihrer Arbeit nachgehen. Tut er das doch, liegt ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz vor. Allerdings ist eine Verringerung der Ruhezeit auf zehn Stunden in gewissen Branchen wie der Gastronomie oder der Krankenpflege gestattet. Entsprechende Ausnahmeregelungen finden sich im Arbeitszeitgesetz in § 5 Abs. 2. Binnen eines Kalendermonats oder binnen vier Wochen haben Sie einen Ausgleichsanspruch durch die Ausweitung einer anderen Ruhezeit auf wenigstens zwölf Stunden.
Wenn Sie ein leitender Angestellte gemäß der Definition des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 5 Abs. 3 BetrVG) sind, finden die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes auf Sie jedoch keine Anwendung. Begründet wird dies mit Ihrer verantwortungsvollen Stellung im Unternehmen. Sie sind ein solcher leitender Angestellter, wenn Sie beispielsweise gemäß Arbeitsvertrag oder aufgrund Ihrer Stellung im Unternehmen zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Beschäftigten berechtigt sind. Das heißt aber nicht, dass Sie für Ihren Arbeitgeber 24 Stunden am Tag verfügbar sein müssen. Ein Stundenpensum, das Ihre Gesundheit schädigt, ist nach wie vor unzulässig.
Da Pausen nicht als Arbeitszeit gelten und somit nicht entlohnt werden müssen, sind diese im Zuge der Arbeitszeiterfassung zu berücksichtigen. Zudem bestehen auch hier gesetzliche Regelungen, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beachtet werden müssen. Beispielsweise müssen Sie als Arbeitnehmer spätestens nach sechs Stunden Arbeit eine Pause von wenigstens 30 Minuten einlegen. Länger am Stück zu arbeiten ist nicht gestattet. Wenn Sie am Tag über neun Stunden arbeiten, haben Sie laut den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (§ 4 ArbZG) sogar ein Recht auf eine Pause von einer Dreiviertelstunde. Sie müssen die Pause nicht unbedingt am Stück einlegen, sondern dürfen auch zwei Mal 15 Minuten Pause machen. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dürfen jedoch andere Bestimmungen vorsehen.
Bei den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Arbeitspausen gibt es auch Ausnahmen. Beispielsweise sind Kraftfahrer verpflichtet, spätestens nach 4,5 Stunden hinter dem Lenkrad eine Pause von wenigstens einer Dreiviertelstunde einzulegen. Darüber hinaus finden bei jugendlichen Beschäftigten striktere Regelungen Anwendung. Jugendliche Arbeitnehmer müssen nach 4,5 Stunden Arbeit zum ersten Mal eine Pause – von mindestens einer Viertelstunde – einlegen. Arbeiten sie am Tag mehr als 4,5 und höchstens sechs Stunden, haben sie einen Anspruch auf eine Pause von 30 Minuten. Liegt die tägliche Arbeitszeit sogar über sechs Stunden, ist Jugendlichen eine Arbeitspause von einer Stunde zu gewähren. Prüfen Sie jetzt Ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche!
Quelle: Boris Christof Böhm ist Redakteur und Content Manager bei anwalt.de. Die Rechtsberatungsplattform widmet sich seit 15 Jahren der erfolgreichen Vermittlung von Anwälten an Ratsuchende. Mit über 20.000 Anwälten im Portfolio, über 60.000 veröffentlichten Rechtstipps und unzähligen Online-Rechnern vom Abfindungsrechner bis hin zum Promillerechner steht anwalt.de Ihnen in jeglichen rechtlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite.
Veröffentlicht
13.12.2019