Erfolgreiche Personalgewinnung geht auch über digitale Kanäle. © FS Productions / Getty Images

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Recruiting über digitale Kanäle – so klappt’s (auch nach der Corona-Krise)

In Zeiten von Corona und Homeoffice haben sich auch Bewerbungsprozesse verändert. Vorstellungsgespräche über Video – neue Normalität? Im Interview verrät Naila Sabuni, Team Lead Recruiting bei der New Work SE, wie sie und ihr Team bereits vor der Krise viele Recruiting-Prozesse digitalisiert haben und wie remote Recruiting jetzt funktionieren kann.


Naila, wie haben sich die Personalgewinnung und das Bewerbermanagement bei der New Work SE durch die Corona-Krise generell verändert?

Beim Bewerbermanagement tatsächlich gar nichts. Hier haben wir vorher bereits das Bewerbermanagement-Tool „Prescreen“ genutzt und haben dadurch kaum Einschränkungen oder Veränderungen in unseren Workflows. Die Interviews hingegen haben sich natürlich grundlegend verändert, da sie nun komplett remote, also am Bildschirm via Videotelefonie durchgeführt werden. Wichtig hierbei ist aber, dass der Wechsel zu digitalen Interviews keinen Einfluss auf den Inhalt der Interviews hat. Fragen und Methodik sind nach wie vor dieselben. Zum Kandidatenmarkt können wir feststellen, dass die Bewerber, trotz aktiver Stellenausschreibungen, deutlich zögerlicher geworden sind.

Wie reagiert ihr beim Recruiting auf die neuen Gegebenheiten (Homeoffice etc.)?

Wie eben schon erwähnt waren seitens der New Work SE bereits alle Voraussetzungen was das Technische angeht vorhanden. Für die Mitarbeiter des Recruiting-Teams gab es insofern eine Umstellung, da sie sich beispielsweise in ihrer Wohnung eine geeigneten Interview-Platz suchen und diesen entsprechend einrichten mussten. Bei den Bewerbern haben wir festgestellt, dass die meisten Bewerber mit Video-Telefonie bereits vertraut sind und der ein oder andere auch schon ein Bewerbungsgespräch online per Video-Call geführt hat.

Alles in allem also tatsächlich keine allzu große Umstellung. Jedoch muss man auch sagen, dass sich das nur auf die Erstgespräche bezieht, denn die haben wir vorher auch schon häufiger per Video-Call geführt, nur eben nicht in den eigenen vier Wänden. Jemanden gar nicht vor Ort zu sehen, ist auch für uns eine neue Situation. Und eben auch für den Kandidaten. Unser Bestreben im Prozess ist es, für die Kandidaten Transparenz zu schaffen. Dazu gehört auch, dass er oder sie die Büroräume sieht und schauen kann, ob man sich vorstellen kann, hier zu arbeiten. Über Videos auf unserer Website kann man sich aber bspw. Schon einen Großteil der Arbeitsumgebung anschauen.

Gibt es seit Beginn der Corona-Krise Veränderungen in der Anzahl der Bewerbungen?

Auf jeden Fall! Generell haben wir festgestellt, dass es weniger Bewerbungen gibt und vor allem weniger Wechselwillige, also Bewerber, die von einem in den anderen Job, oder einfach den Arbeitgeber wechseln. Klar, in Zeiten der Unsicherheit hält man natürlich an Sicherheiten, wie eben den aktuellen Job, fest. Auch haben einige Bewerber, die bereits in Prozessen bei uns waren, aufgrund der Situation die Bewerbung zurückgezogen.

Wie sieht ein „normaler“ Bewerbungsprozess bei der New Work SE aktuell aus?

Das hängt tatsächlich ganz vom Fachbereich ab. Bei Sales beispielsweise besteht der Prozess aus einem Telefoninterview, gefolgt von einem erstem Gespräch mit dem Hiring Manager und dem Kandidaten, welches etwas eine Stunde dauert. Anschließend hält der Kandidat noch in einem zweiten Interview einen Case in Form einer Präsentation und lernt im Anschluss noch das Team oder Peers kennen.

Wir stellen aktuell ohne persönliches physisches Kennenlernen ein und haben unser Onboarding dementsprechend angepasst.

Glaubst Du, die Kandidatenpassung lässt sich auch ohne persönliches Kennenlernen gut herstellen?

Die Passung bezüglich Kompetenz und Sozialverhalten kann man durchaus auch in einem Video-Call erkennen. Was man auch schnell im Remote-Bewerbungsprozess merkt ist, ob die Person vom Mindset zu unserer Unternehmenskultur passt, das ist ja ebenfalls immer ein wichtiger Faktor. Aus Recruiter-Sicht spricht auch gar nichts dagegen ohne physischen Kontakt einzustellen. Ich selbst habe alle unsere Scweizer Sales Mitarbeiter eingestellt, ohne vor Ort zu sein, also auch komplett Remote, allerdings mit dem People Manager vor Ort. Für den Hiring Manager, der später der People Manager wird, ist es schwieriger. Wenn er oder sie für einen anderen Standort einstellt ist es erstmal kein Problem. Geht es aber darum für das eigene Team vor Ort einzustellen, Ist die Hürde etwas größer.

Ich denke, dass die Energie, die ein Mensch mitbringt, sehr wichtig ist und auch nicht in Gänze über ein Video rüberkommt. Allerdings denke ich auch, dass es dennoch gut möglich ist remote einzustellen. Ideal ist es meiner Meinung nach weder für uns noch für die Kandidaten. Es entspricht eben nicht unserer Kultur, da wir viel über das Zwischenmenschliche regeln und uns eine Vernetzung untereinander sehr wichtig ist.

Welche Tipps kannst du Firmen geben, die bisher gar nicht oder wenig auf dem digitalen Wege Personal rekrutiert haben?

Aus meiner Sicht steht und fällt es mit dem Mindset. Also wirklich daran zu glauben, dass man auch digital in der Lage ist, passgenau zu rekrutieren. Daneben ist eine stabile Technik sehr wichtig, insbesondere für die Candidate Experience. Außerdem muss man sich noch mehr Zeit nehmen, weil vieles, was sonst eben wahrgenommen wird (beispielsweise Büroräume), auf der Tonspur nähergebracht werden muss. Ansonsten: Einfach mal machen und keine Angst davor haben.

Veröffentlicht
05.06.2020