Probezeit - Chance oder Risikofaktor?

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Probezeit: Risikofaktor oder Chance für Berufseinsteiger?

Das Bewerbungsgespräch ist erfolgreich überstanden und der Arbeitsvertrag von beiden Seiten unterschrieben. Da steht dem neuen Job nichts mehr im Wege – oder? Häufig müssen Arbeitnehmer jedoch zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses zunächst eine Probezeit absolvieren. Wir erklären Ihnen, was es damit auf sich hat, wofür sie gut ist und was Sie dabei beachten sollten.


So könnte ein Beispiel für einen gelungenen ersten Tag des neuen Mitarbeiters aussehen:

Das Wichtigste in 15 Sekunden

  • Die Probezeit ist eine Art Testphase, um herauszufinden, ob Arbeitnehmer und Unternehmen zusammenpassen.
  • Sie darf maximal sechs Monate dauern.
  • Während der Probezeit dürfen Arbeitnehmer anteiligen Urlaub nehmen.
  • Die Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt zwei Wochen.
  • Das Arbeitsverhältnis kann in der Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden

Probezeit ist nicht gesetzlich vorgeschrieben

Wichtig zu wissen für alle Berufseinsteiger: Eine gesetzliche Pflicht zur Probezeit gibt es nicht! Ein Arbeitsverhältnis kann also auch ganz ohne Probezeit wirksam abgeschlossen werden. Enthält Ihr Arbeitsvertrag also keine Klausel hinsichtlich einer Probezeit, müssen Sie auch keine absolvieren. Davon gibt es jedoch eine Ausnahme: das Berufsausbildungsverhältnis. Für Azubis ist die Probezeit – im Gegensatz zu regulären Arbeitsverhältnissen – gemäß § 20 Berufsbildungsgesetz (BBiG) gesetzlich vorgeschrieben. Sie darf zwischen einem Monat und vier Monaten betragen. In den meisten Fällen beinhalten jedoch auch „normale“ Arbeitsverträge eine Probezeit. Wie lange diese dauert, kann der Arbeitgeber selbst bestimmen; maximal darf sie jedoch sechs Monate betragen. Achtung: Auch eine Verlängerung der Probezeit ist grundsätzlich möglich. Das kann z. B. der Fall sein, wenn der Arbeitgeber während der ursprünglich vereinbarten Probezeit länger krank war und sich so kein ausreichendes Bild über den neuen Arbeitnehmer machen konnte. Hier gilt jedoch ebenfalls: Inklusive der Verlängerung darf die gesamte Probezeit eine Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten.

Wozu ist die Probezeit überhaupt gut?

Ein neues Arbeitsverhältnis stellt für jeden Arbeitgeber auch immer ein Risiko dar. Nur durch das Bewerbungsgespräch ist es für das Unternehmen nicht möglich, sicher einzuschätzen, ob der Mitarbeiter wirklich zum Unternehmen und zum Job passt. Ohne Probezeit bzw. danach können Arbeitgeber – anders als Arbeitnehmer – ein Arbeitsverhältnis nur noch unter sehr strengen Voraussetzungen wieder kündigen. Gerade bei der Einstellung von Berufsanfängern sind sich Arbeitgeber oft unsicher. Mangels vorheriger Beschäftigungen und Arbeitszeugnisse bleiben Fragen unbeantwortet wie: Hat der Arbeitnehmer die notwendigen Fertigkeiten? Ist er zuverlässig und leistet gute Arbeit? Die Probezeit ist für den Arbeitgeber deshalb eine wichtige Phase, um den neuen Mitarbeiter und seine Arbeitsweise besser kennenzulernen. Während der Probezeit ist das Arbeitsverhältnis – übrigens von beiden Seiten – einfacher wieder zu beenden als danach. Es handelt sich währenddessen also um ein noch ungefestigtes Arbeitsverhältnis, quasi um eine „Schnupperphase“. Lassen Sie sich zu Ihren Arbeitnehmerrechten beraten!

Nicht nur Risiko, sondern auch Chance für Berufseinsteiger

Für viele Arbeitsanfänger schwebt die Probezeit wie ein Schreckgespenst über dem neuen Job. Man fühlt sich auf Schritt und Tritt beobachtet und ist durch diesen enormen Druck belastet. Dabei stellt gerade diese „Testphase“ eine wichtige Chance für Berufseinsteiger dar. Genauso wie für Arbeitgeber bietet die Probezeit auch für Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Unternehmen und den Job näher kennenzulernen. Es handelt sich also auch für Berufseinsteiger um eine Orientierungsphase, während derer man die Antwort auf Fragen wie

  • Passt das Unternehmen zu mir?
  • Komme ich auf Dauer mit dem Chef und den Kollegen klar?
  • Erhalte ich genügend Anerkennung für meine Leistung?
  • Werde ich auch persönlich wertgeschätzt?
  • Gefällt mir meine Tätigkeit?
  • Fühle ich mich unter- oder überfordert?
  • Welche Zukunftsperspektiven habe ich in diesem Job?

herausfinden kann. Stellt man dann fest, dass der Job doch nicht so recht zu einem passt, kann man auch als Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis während der Probezeit unter einfacheren Voraussetzungen – und vor allem auch schneller – wieder kündigen. Prüfen Sie jetzt Ihren Arbeitsvertrag!

Urlaubsanspruch während der Probezeit

Achtung, Irrtum! Viele Arbeitnehmer denken, sie könnten während der Probezeit keinen Urlaub nehmen. Das stimmt jedoch nicht. Richtig ist, dass gemäß § 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) der volleUrlaubsanspruch erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird. Jedoch haben Arbeitnehmer nach § 5 BUrlG Anspruch auf anteiligenUrlaub für jeden vollen Monat, den sie in einem Betrieb beschäftigt sind. Wann genau ein neuer Mitarbeiter diesen anteiligen Urlaub in Anspruch nehmen kann, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab. Häufig haben etwa Urlaubswünsche von länger beschäftigten Arbeitnehmern Vorrang. Sprechen dringliche betriebliche Gründe dagegen, kann der Arbeitgeber einen Urlaubsantrag während der Probezeit ebenfalls ablehnen.

Krankheit in der Probezeit

Berufseinsteiger haben oft Angst davor, sich während der Probezeit krankzumelden und „schleppen“ sich deshalb auch mit Fieber oder Schmerzen zur Arbeit. Viele glauben, eine Krankmeldung zeuge von Unzuverlässigkeit und befürchten, die Probezeit so nicht bestehen zu können. Eine Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers ist zwar normalerweise nicht zulässig, während der Probezeit kann ein Arbeitsverhältnis jedoch ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Dennoch sollte man mit einer Grippe nicht im Büro auftauchen, auch nicht als Berufsanfänger. Sprechen Sie mit Ihrem Chef. Sie werden sehen: Die meisten Vorgesetzen haben Verständnis für eine tatsächliche Krankheit. Vielen ist es sogar lieber, dass sie zu Hause bleiben, statt Ihre Kollegen anzustecken. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass es für die Probezeit eine Sonderregelung der Lohnfortzahlung gibt. Gemäß § 3 Abs. 3 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) sind Arbeitnehmer in der Probezeit zwar auch während einer Krankheit zu bezahlen, aber eine Lohnfortzahlung gibt es in dieser Phase erst ab der fünften Woche. Das bedeutet: Während der ersten vier Wochen erhalten Mitarbeiter in der Probezeit keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall!

Kündigungsfristen in der Probezeit

Während der Probezeit gelten verkürzte Kündigungsfristen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen. Das gilt bis zum letzten Tag. Erfolgt die Kündigung am letzten Tag der Probezeit, besteht das Arbeitsverhältnis noch zwei Wochen weiter und ist dann beendet. Ein Grund für die Kündigung muss von beiden Seiten nicht angegeben werden. Gibt es jedoch im Unternehmen einen Betriebsrat, muss der Arbeitgeber diesen vor einer Kündigung während der Probezeit anhören, sonst ist sie unwirksam. Lassen Sie sich zu Ihren Arbeitnehmerrechten beraten!


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anwalt.de LogoQuelle: Theresa Fröh ist Redakteurin und Content Managerin bei anwalt.de. Mit über 70.000 veröffentlichten Rechtstipps, finden Sie weitere Tipps im Arbeitsrecht gewappnet zu sein, worauf Sie bei einem Aufhebungsvertrag unbedingt achten müssen oder wie Sie bei einer Kündigung eine Abfindung erwirken können.

Veröffentlicht
06.09.2019