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Dass auch in MINT-Berufen viele Fachkräfte fehlen, ist bekannt. Warum fällt es immer noch so schwer, Begeisterung für diese Jobs zu entfachen? Vieles passiert schon in der Schule.
Gute Karrierechancen, eine attraktive Bezahlung und gleichzeitig einen Beitrag zu wichtigen gesellschaftlichen Themen leisten: An Verkaufsargumenten fehlt es den Jobs im MINT-Bereich eigentlich nicht. MINT steht dabei für Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften.
Dennoch fällt es vielfach schwer, bei jungen Menschen das Interesse für eine Karriere in diesem Bereich zu wecken. Gerade bei Frauen, gerade in den Ausbildungsberufen. Warum ist das noch immer so? Und was könnte helfen?
Viele Weichen werden schon in der Schule gestellt. Daniela Heinrich-Stiller unterrichtet am Gymnasium Lahntalschule Biedenkopf Biologie und Chemie und wurde 2020 mit dem Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie «Unterricht innovativ» ausgezeichnet. Ihrer Einschätzung zufolge richtet sich Abneigung gegen MINT oft gegen «zahlenlastige Fächer». Bei «greifbareren Fächern» wie Chemie oder Biologie stelle sich die Situation differenzierter dar.
Es gebe aber auch da Schüler, die eine höhere Begabung und mehr Interesse mitbringen und dadurch bessere Noten im Unterricht erzielen. Das schrecke dann oft die anderen ab. «Es entsteht das Gefühl, dass man schlecht und trotz Motivation für MINT nicht dafür geeignet oder gemacht ist.»
Die Lehrerin findet es wichtig, dass auch dann genügend über Berufswege in die MINT-Branchen aufgeklärt wird. Das sei an Schulen noch ausbaufähig. Schüler könnten sich zum Beispiel rein schulisch über diverse Ausbildungen wie etwa Technische Assistenz-Berufe ans Labor heranwagen, so Heinrich-Stiller. Daneben kommen Karrierewege infrage, die man vielleicht im ersten Moment gar nicht direkt mit MINT verbindet - wie die Wissenschaftskommunikation etwa.
«Probieren, testen, anschauen: Junge Menschen müssen ermutigt werden, die Berufe in der Life-Science-Branche frühzeitig auszuprobieren», findet auch Klaus Ambos, Geschäftsführer des Hamburger Laborprodukteherstellers Starlab. Das mittelständische Unternehmen ist selbst darum bemüht, Nachwuchskräfte zu gewinnen.
Er verweist auf Möglichkeiten wie Praktika, Probetage oder auch den Boys- & Girls-Day. Nur so könnten Jugendliche herausfinden, «wie sich in der Praxis etwas anfühlt, wovon sie allenfalls ein theoretisches Bild haben».
Wichtiger noch ist laut Ambos aber eine generelle Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für diverse Berufsbilder. «Jugendliche werden bei der Berufswahl sowohl von Familie und Freunden wie auch von Medien und Influencern beeinflusst.» Viele Berufe würden da unsichtbar und somit unpopulär bleiben.
Wie die Bundesagentur für Arbeit auf ihrem Portal «Planet-Beruf» empfiehlt, sollten Eltern volle Unterstützung zeigen, wenn sich junge Erwachsene für einen bestimmten beruflichen Bereich interessieren oder ein Talent dafür entwickeln.
Wenn sie eine klischeefreie Berufswahl unterstützen wollen, sollten Eltern ihren Kindern zudem signalisieren, dass sie das tun sollten, was sie gut können und woran sie Spaß haben. Die Erwartungen anderer sind dagegen nachrangig.
Ein Selbstläufer ist die Karriere im MINT-Bereich dennoch nicht. Wer viel Talent hat, könne jeden Wunschberuf relativ entspannt angehen, sagt Lehrerin Daniela Heinrich-Stiller. Hier strecken auch große Arbeitgeber ihre Fühler nach den Nachwuchskräften aus.
Die große Masse aber bleibe von den Rekrutierungsversuchen der Top-Firmen unberührt, da diese stark nach Noten selektieren, so Heinrich-Stiller. Damit werde ihnen erneut bestätigt, nicht gut genug zu sein in den MINT-Fächern. Hier bleibt es also Herausforderung für beide Seiten, wirklich zueinander zu finden.
Veröffentlicht
30.06.2022
Author:in
Amelie Breitenhuber