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Um den Traumjob zu bekommen, versuchen viele Kandidaten, ihre Chancen durch falsche Angaben zu verbessern. Rechtsanwalt Martin Nebeling gibt im Interview mit Bewerbung.com Auskunft über die häufigsten Lügen von Bewerbern und ihre möglichen rechtlichen Folgen.
Arbeitsrechtsexperte Dr. Martin Nebeling: "Je länger das Arbeitsverhältnis, desto höher die möglichen Rückzahlungen an den Arbeitgeber."Martin Nebeling: Ob Sprachkenntnisse aufbauschen, Auslandsaufenthalte ausschmücken oder Führungskompetenz vorgaukeln: Um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden oder die eigene Verhandlungsposition zu stärken, nehmen es manche Bewerber mit den Angaben im eigenen Lebenslauf nicht so genau. Genau beziffern lässt es sich zwar nicht, wie oft bei Lebensläufen geschummelt wird, denn oft werden unwahrheitsgemäße Angaben gar nicht bemerkt. Doch das Detektivbüro Kocks hat vor ein paar Jahren eine Erhebung zu diesem Thema gemacht, bei der von 5.000 Bewerbungen 1.500 nicht wahrheitsgemäße Angaben enthielten.
Nebeling: Meiner Erfahrung nach kommen falsche Tatsachenbehauptungen oder Fälschung von Dokumenten, wie Abschlüsse und Approbationen, seltener vor als kleinere Ausschmückungen. Zum Beispiel werden Fremdsprachenkenntnisse beschönigt, also das fast wieder verlernte Schulfranzösisch wird als „verhandlungssicher“ beschrieben. Um Lücken im Lebenslauf zu überspielen oder mehr Berufserfahrung zu suggerieren, geben Bewerber zum Beispiel Zeitangaben in Jahreszahlen an, statt konkrete Datumsangaben zu nennen. Auch bei der Höhe des aktuellen Gehalts wird geschummelt, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Zudem können Berufserfahrung und Tätigkeiten nicht nur aufpoliert werden, indem Aspekte hinzuerfunden, sondern auch wissentlich verschwiegen werden. Etwa wenn ein Bewerber als leitender Manager im Vertrieb tätig war, aber diese Tätigkeit noch zusammen mit zwei weiteren Kollegen auf demselben Level ausübte.
Nebeling: Geforderte Sprachkenntnisse lassen sich noch relativ einfach durch ein Bewerbungsgespräch in der jeweiligen Sprache feststellen. Natürlich kann auch immer bei vorherigen Arbeitgebern, die im Lebenslauf genannt sind, oder bei Ausbildungsstellen, Universitäten und Institutionen nachgefragt werden. Hier muss aber auch der Datenschutz beachtet werden. Das heißt, Fragen oder Recherchen, die in die Privatsphäre des Bewerbers eindringen, sind nicht erlaubt. Dieses Vorgehen ist unter dem Stichwort Pre-Employment Screening bekannt. Hierbei kann der Arbeitgeber sich auf vielfältige Weise Informationen über den Bewerber verschaffen. Dies reicht von der erwähnten Nachfrage über „googlen“ oder die Überprüfung von Profilen in sozialen Netzwerken des Bewerbers bis hin zu einer gezielten Überwachung. Doch auch hier gilt es rechtliche Fallstricke zu vermeiden und insbesondere den Datenschutz zu beachten. Das heißt, Fragen oder Recherchen, die in die Privatsphäre des Bewerbers eindringen, sind grundsätzlich nicht erlaubt. Jedoch ist die Zulässigkeit des Pre-Employment Screenings stets nach dem Einzelfall zu beurteilen. Und zur Verarbeitung oder Erhebung von Daten des Bewerbers muss der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse vorweisen. Dieses darf nicht vom Interesse des Bewerbers überwogen werden, dass seine Daten nicht erhoben oder verarbeitet werden. Informationen, die durch den Bewerber selbst öffentlich gemacht wurden – insbesondere in berufsorientierten Netzwerken wie XING oder LinkedIn – genießen grundsätzlich einen geringeren Schutz. Auch die Beauftragung von spezialisierten Detekteien ist möglich, wenn es etwa um begründeten Verdacht auf Dokumentenfälschung geht. Zum Beispiel bei Zeugnissen über ein abgeschlossenes Medizinstudium oder einer Dissertation. Problematisch ist bei jeglicher Daten-Verarbeitung oder -Erhebung jedoch, dass der Arbeitgeber eine Informationspflicht über die Maßnahme gegenüber dem Bewerber hat. Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder oder Schadensersatzansprüche. Der Arbeitgeber kann jedoch schon in der Stellenausschreibung oder auf einem Bewerberportal darauf hinweisen, dass im Rahmen des Bewerbungsprozesses auch Daten des Bewerbers bei Dritten erhoben werden und sich so rechtlich absichern.
Nebeling: Bei gefälschten Abschlüssen und Approbationen kann es für den Mitarbeiter teuer werden. Denn diese Urkundenfälschung stellt eine strafrechtliche Handlung dar. Außerdem kann es sein, dass der Bewerber für den Schaden, den der Arbeitgeber durch die Einstellung erlitten hat, aufkommen muss. Dabei gilt: Je länger das Arbeitsverhältnis angedauert hat, desto höher können die Rückzahlungen an den Arbeitgeber ausfallen. Bei einem gefälschten Medizinstudium können die Täuschungshandlungen nicht nur für den Bewerber, sondern auch für die Patienten ernsthafte Konsequenzen haben, etwa in Fällen der gefährlichen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung.
Nebeling: Bewerber müssen zum Beispiel Krankheit oder die Tätigkeiten im Betriebsrat nicht angeben. Im Jobinterview müssen auch nicht alle Fragen des Personalers beantwortet werden. Stellt der potenzielle Arbeitgeber eine unzulässige Frage, muss der Bewerber nicht wahrheitsgemäß antworten. Dies kann beispielsweise die Frage nach der Familienplanung sein. Ist die Frage des Personalers jedoch zulässig und antwortet der Bewerber mit falschen Aussagen, oder verschweigt Tatsachen, die er hätte offen legen müssen, kommen verschiedene Konsequenzen in Betracht. Eine Möglichkeit wäre etwa die Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder Anfechtung des Arbeitsvertrages, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber arglistig vom Bewerber getäuscht wurde. Wie erwähnt, kann der Arbeitgeber je nach Dauer der Beschäftigung aber auch Schadenersatzansprüche geltend machen. Zur Person: Dr. Martin Nebeling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird. Er leitet die Arbeitsrechts-Praxisgruppe von Bird & Bird in Deutschland und ist Mitglied der internationalen Employment Practice Group.
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Veröffentlicht
29.10.2018