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Cheffing: So nehmen Mitarbeiter heimlich die Zügel in die Hand

Wenn Vorgesetzte nicht bieten können, was ihre Mitarbeiter benötigen, tritt das Phänomen "Cheffing" auf: Angestellte beginnen, auf ihre Vorgesetzten Einfluss zu nehmen, um gemeinsame Ziele zu verwirklichen


Stellen wir uns vor, dein Team arbeitet an einem bedeutenden Projekt, und der Chef ist Teil des Teams. Um Fehler zu vermeiden, entscheidet der Chef, alle wichtigen Aufgaben selbst zu übernehmen und die einfacheren Aufgaben an die Mitarbeiter zu verteilen. Doch das ist keine echte Delegation: Im Team befinden sich ausgewiesene Experten und hochqualifizierte Fachkräfte, die ihre Aufgaben nicht erfüllen dürfen. Der Grund dafür ist, dass der Chef nicht in der Lage ist, Verantwortung abzugeben und sich gegen den kulturellen Wandel und Veränderungsprozesse sträubt.

Hier setzt Cheffing an

Die Veränderungen in der modernen Arbeitswelt erfordern, dass Mitarbeiter mehr Einfluss darauf nehmen, wie sie ihre Arbeit ausführen. "Cheffing", ein Begriff, der aus der Fachsprache stammt, beschreibt diese Veränderung treffend. Allerdings geschieht Cheffing nicht von selbst. Es ist eine Herausforderung, die zu den größten der modernen Arbeitswelt gehört.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass Cheffing nichts mit "Bossing" zu tun hat – und Cheffing bedeutet auch nicht, dass Mitarbeiter ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil handeln. Es geht vielmehr um eine gemeinsame Verbesserung, damit die Unternehmensziele erreicht werden können, Entscheidungen effizienter, besser und nachhaltiger getroffen werden und Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung ihrer Arbeit mitwirken und zu einem noch wichtigeren Teil des Unternehmens werden. Es geht nicht um persönliche Ziele eines Mitarbeiters, der seinem Chef eins auswischen möchte. Der Fokus liegt heute auf dem großen Ganzen, der gemeinsamen Mission, einer positiven Führungskultur und Arbeitskultur, die zur modernen Arbeitswelt passt – alles im Sinne des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.

Was ist Cheffing?

"Von unten führen" - so lässt sich das Konzept des Cheffings definieren. Es geht um die Beeinflussung des Chefs durch die Mitarbeiter. Traditionelle Führung geht den entgegengesetzten Weg. Bisher waren starre Hierarchien, die von oben nach unten verlaufen, die Norm. In den meisten Unternehmen sind sie es immer noch.

Wenn Mitarbeiter jedoch anfangen, auf subtile Weise positiven Einfluss auf ihren Chef zu nehmen, um beispielsweise eine notwendige Entscheidung zu unterstützen, spricht man von Cheffing. Es bedeutet also, Führungskräfte so zu beeinflussen, dass sie sich für eine spezifische Aktion entscheiden oder so vorgehen, wie die Mitarbeiter es benötigen, damit die gemeinsamen Ziele letztlich besser erreicht werden und eine produktive, effektive Arbeit möglich ist.

Ist Cheffing Manipulation?

Ja, im Grunde genommen bedeutet Cheffing auch, andere zu manipulieren. Aber der Begriff der Manipulation ist irreführend,  weil er negative Assoziationen weckt. Jeder Mensch verwendet kleine psychologische Tricks, um zum Beispiel eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, andere dazu zu bringen, einen zu mögen oder um ein Argument zu untermauern. In verschiedenen Alltagssituationen setzen wir bewusst Manipulation ein und können dies mit unserem Gewissen vereinbaren, weil die Beeinflussung anderer Teil der menschlichen Natur ist.

Rosa Sparschwein mit goldenen Euro-Münzen, die von oben auf einen geteilten blauen Hintergrund fallen © J Studios / Getty Images
In der heutigen globalisierten und wettbewerbsorientierten Arbeitswelt ist es entscheidend, dass Unternehmen wettbewerbsfähige Gehälter anbieten, um talentierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten. 

Wann ist Cheffing für ein Unternehmen nützlich?

Cheffing ist in verschiedenen Szenarien als Konzept gefragt. Typische Situationen, in denen die unkonventionelle Idee, von unten zu führen, helfen kann, beinhalten oft folgende Probleme:

Kommunikationsdefizite: Führungskräfte bleiben für sich, sind intransparent, kommunizieren ihre Erwartungen nicht und es gibt wenig bis kein Feedback - das verunsichert die Mitarbeiter und führt zu Missverständnissen. Angst vor Kontrollverlust: Führungskräfte tun sich schwer, Verantwortung im Team zu verteilen und Aufgaben zu delegieren. Das führt zu Frustration im Team. Unfähigkeit, ein Team zu führen: Fehlbesetzungen auf Führungsebene sind ebenfalls eine Realität. Es gibt großartige Chefs, die dazulernen, gut führen, Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen und mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. Aber es gibt auch Vorgesetzte, denen es zum Beispiel an Soft Skills mangelt und die die Zusammenarbeit erschweren.

Wie funktioniert Cheffing?

Um die Herausforderung "Cheffing" zu meistern, ist es zunächst wichtig, eines zu verstehen: Nicht jeder Chef ist gleich. Jede Führungskraft hat ihren eigenen Führungsstil. Da sich die Führungsstile unterscheiden, ist die Aufgabe komplex.

Folgende Schritte können dabei helfen:

  1. Akzeptanz des Chefs: Nimm die Führungskraft so an, wie sie ist

Das Ziel von Cheffing ist nicht, die Persönlichkeit eines Menschen zu verändern. Es geht darum, bestimmte Verhaltensweisen zu fördern. Um dies zu erreichen, müssen die Mitarbeiter zunächst akzeptieren, wie ihr Chef ist. Denn es wird nicht möglich sein, alles zu kontrollieren und zu beeinflussen – und das ist auch nicht das Ziel. Die Führungskraft so anzunehmen, wie sie ist, bedeutet auch,

respektvoll, wertschätzend und freundlich auf sie zuzugehen, ihre Meinungen und Ansichten zu akzeptieren, ohne notwendigerweise derselben Meinung zu sein, ihre Schwächen und Stärken gleichermaßen anzunehmen.

  1. Analyse des Chefs: Beobachte die Probleme, mit denen die Führungskraft zu kämpfen hat

Um Verhaltensweisen und bestimmte Aktionen zu fördern oder zu beeinflussen, ist es wichtig, die spezifischen Herausforderungen kennenzulernen, mit denen eine Führungskraft konfrontiert ist. Vor allem Triggerpunkte und Reize, auf die Führungskräfte in bestimmten Situationen reagieren, geben klare Hinweise darauf, wo Probleme liegen könnten. Während der eine Chef Probleme damit hat, sich an Vereinbarungen zu halten, hat der andere Schwierigkeiten, Kontrolle abzugeben, was die Arbeit des Teams behindert.

  1. Ein Ziel definieren

Die Beeinflussung von Führungskräften setzt voraus, dass man selbst weiß, was das Ziel ist und wie realistisch es ist: Sind die Erwartungen tragbar und umsetzbar? Sind sie sinnvoll? Was ist die Absicht hinter der Beeinflussung?

  1. Handeln abhängig von der Situation und dem Führungsstil

Während einige Führungskräfte auf Lob und Anerkennung reagieren und daher eher zu bestimmten von den Mitarbeitern gewünschten Handlungen neigen, brauchen andere konstruktive Kritik, um mögliche Schwachstellen zu erkennen und zu beheben.

Das bedeutet: Es gibt kein Allgemeinrezept, das auf jede Führungskraft anwendbar ist. Wie wir handeln, um Einfluss zu nehmen, hängt daher vor allem von der Situation und der Führungskraft ab. Was beispielsweise helfen kann, um den Chef zu bestimmten Verhaltensweisen oder Handlungen zu bewegen:

Ausdruck von Wertschätzung für geleistete Arbeit und Verstärkung positiven Handelns durch Anerkennung Proaktives Bitten um Hilfe vom Chef, um die Notwendigkeit zu signalisieren Proaktives Unterbreiten von Vorschlägen und Handlungsalternativen - die Entscheidung liegt dann beim Chef, aber die Richtung wurde vorgegeben Aktives Einfordern von Feedback - statt passiv zu warten Aufmerksam machen auf Vereinbarungen und dadurch das Verhalten positiv beeinflussen Stärkung der emotionalen Bindung und des Vertrauens durch proaktiven Austausch Anwendung von Kommunikationstechniken, zum Beispiel Spiegeltechnik (Chamäleon-Effekt) Ansprechen konkreter Situationen und konstruktives Feedback geben Fragen stellen und Interesse zeigen Was sollten Mitarbeiter vermeiden?

Ob Demütigung vor dem Team, emotional aufgeladene Vorwürfe oder die Aberkennung der Führungsposition: Auch Mitarbeiter können Führungskräfte bloßstellen. Cheffing bedeutet jedoch nicht, jemandem die Position abzusprechen - sondern eine gemeinsame Ebene für die Zusammenarbeit zu finden.

Fast noch wichtiger als die oben genannten Beispiele, um das Verhalten des Chefs erfolgreich zu beeinflussen, ist es, den Chef dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Wenn er zunächst als Chef akzeptiert werden möchte, ist es wichtig, dies auch zu tun - und die Führungskraft zum Beispiel nicht wie einen Kumpel zu behandeln. Nur wer das Vertrauen seines Chefs gewinnt, kann sicher sein, dass dieser sich auch positiv beeinflussen lässt.


Dieser Artikel wurde mithilfe von Automatisierungstechnologie überarbeitet 

Veröffentlicht
11.05.2023