Storytelling wird im Bewerbungsgespräch immer populärer

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Storytelling in der Bewerbung: Geschichtenerzähler sind gesucht

Märchen haben im Bewerbungsverfahren nichts zu suchen? Im Gegenteil: Gerade bei Zickzack-Lebensläufen helfen gute Geschichten. Und auch im Vorstellungsgespräch lässt sich mit dem richtigen "Storytelling" punkten.


Selbst für Karrierecoach Christoph Burger war das, was er da von einem Kunden vorliegen hatte, ein spannender Lebenslauf: Ausbildung zum Industriemechaniker, Quereinsteiger bei einer großen Bank, Mittlere Reife, Ausbildung zum Versicherungsfachmann und zum Bilanzbuchhalter, jetzt arbeitssuchend. Doch für Burger war der Fall schnell klar: Dieser Zickzack-Lebenslauf eignet sich für ein Anschreiben nach der Storytelling-Methode. Denn: „Dass sich ‚alles so ergeben hat’ wollen Unternehmen nicht hören“, sagt Burger. Doch was bedeutet Storytelling? Nichts anderes als das wortwörtliche „Geschichten erzählen“, als Konzept wird es unter anderem im Marketing und in der Öffentlichkeitsarbeit angewandt: Fakten werden nicht in einem Text aneinandergereiht, sondern mit einem roten Faden als zusammenhängende Geschichte präsentiert. Dieses Vorgehen lässt sich laut Burger auch auf das Bewerbungsanschreiben anwenden, gerade wenn der Lebenslauf „erklärungsbedürftig“ ist. Er rät, so anzufangen: „Sammeln Sie, was in Frage kommt, Zitate über sich selbst, die von Freunden, Kollegen oder Chefs getroffen wurden. Gibt es ein Motto, Zitate von Promis oder Sprichwörter, die Sie geleitet haben?“ Das alles sollte auf einem Blatt Papier gesammelt werden: „Dann schaut man: Was ist das Verbindende, was sticht hervor?“ Dabei findet sich auch schon oft ein Leitsatz als Überschrift. "Man sollte sich auch nicht scheuen, sich bei Märchen zu bedienen“, sagt Burger: „Da gibt es zum Beispiel die klassische Heldengeschichte. Ein junger Mann zieht mit einer wirren Idee und unbedarft los. Dann macht er Erfahrungen, das Schicksal beutelt ihn, er muss Kämpfe bestehen. Letztlich kommt er als gereifte Persönlichkeit zurück. Oder: Ein besonderes Ereignis markiert den entscheidenden Wendepunkt. Jeder Film und jedes Buch läuft auf ein solches Grundgerüst hinaus. Diese sogenannten Plots sind älter als Filme und Bücher und tief in unserem Unterbewussten verankert“, sagt Burger. Deshalb wirken sie auch und hinterlassen beim Leser einen bleibenden Eindruck.

Storytelling kommt bei Personalern an - aber bitte nicht zu aufgesetzt

Laut Burger sollte nun dennoch nicht jeder sein Motivationsschreiben als Märchen aufbauen: „Wer genau auf eine Stellenausschreibung passt und alle Qualifikationen mitbringt, sollte nicht das Risiko eingehen, was Verrücktes zu machen.“ Auch in sehr konservativen Branchen wie Banken, Versicherungen oder bei Ämtern ist es nicht so angebracht wie bei Start-ups, im Marketing, bei Verlagen oder in der Unternehmensberatung. „Passend ist es immer dort, wo man weniger Chancen hat oder sich initiativ bewirbt: Da öffnet man sich Wege, die vorher fest verschlossen waren“, so Burger. Doch kommt das Märchenerzählen bei Personalern an? Philipp Jostarndt, Partner und verantwortlich für das Recruiting bei der Boston Consolting Group, bekommt zwar in der großen Mehrheit ganz klassische Bewerbungsschreiben: „Dennoch sind wir natürlich offen für innovative Bewerbungsformate. Wir begrüßen Kreativität, die Geschichte darf aber nicht ‚aufgesetzt’ wirken.“ Für ihn ist es wie auch für Burger eine gute Vorlage für das anschließende Interview: „Der Bewerber sollte sich immer fragen: Wo bieten meine schriftlichen Ausführungen eine Möglichkeit, um in das persönliche Gespräch einzusteigen und sich kennenzulernen? Das kann eine persönliche Erfahrung sein, die im starren Format des Lebenslaufs manchmal keine gute Heimat findet“, sagt Jostarndt. Für Julia Hiemer, Personalerin bei Roland Berger, sind ausgefallenere Anschreiben auch eine gute Möglichkeit, Lücken oder Schwachstellen zu erklären: „Wir legen besonderen Wert auf die Persönlichkeit unserer Bewerber. Dazu gehört für uns, die Geschichte des Bewerbers mit ihren Höhen und Tiefen zu verstehen.“

"Die besten Jobs gehen an die besten Geschichtenerzähler“

Doch nach dem Anschreiben muss es mit dem Geschichtenerzählen nicht vorbei sein. Im Gegenteil, sagt Gehaltsexperte und Karriereberater Conrad Pramböck. Man sollte auch im Bewerbungsgespräch eine Geschichte nach der anderen erzählen, „denn das bleibt am Ende hängen: Bilder und gute Storys. Die besten Jobs gehen an die besten Geschichtenerzähler“, sagt er. Er warnt aber eindringlich davor, das spontan zu machen und die Storys aus dem Ärmel schütteln zu wollen – und vergleicht das mit der Arbeit eines Zauberers: „Wann kommt das Kaninchen in den Zylinder? Lange bevor ich die Bühne betreten habe“, so Pramböck. Analog dazu sollte man vor dem Gespräch 10 bis 20 Geschichten vorbereiten, als Beweis der wichtigsten Eigenschaften. Fragen wie „Sind Sie flexibel/dynamisch/mobil?“ seien da die perfekte Vorlage: „Sagen Sie nicht Ja oder Nein, sondern: Ja, und da kann ich Ihnen auch eine Geschichte erzählen...“ Zum Beispiel, wie man einmal ohne Vorbereitung auf einem Kongress den Vortrag des Chefs übernommen habe. „Man muss auch nicht immer die Frage der Personaler beantworten, sondern ich antworte mit einer Geschichte, die ich gut kann. Ich brauche nur ein Stichwort“, sagt Pramböck. Damit könne man es auch für die Interviewer ein bisschen unterhaltsamer machen und so die eigenen Chancen erhöhen: „Die haben auch sieben bis acht Gespräche am Tag und an den mit der Geschichte mit dem Kaninchen erinnern sie sich am Ende“, sagt er. Text: Maria Zeitler


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Veröffentlicht
23.03.2017