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Die Corona-Krise zwingt Hochschulen in ganz Deutschland, quasi über Nacht auf digitale Lehre umzustellen. Das bietet Chancen - aber auch Herausforderungen und gelegentliches Scheitern. Studierendenvertretungen haben deshalb klare Forderungen.
Seminarräume sind geschlossen, die sonst teils überfüllten Hörsäle zu, Bibliotheken bis auf Weiteres nicht geöffnet: Wegen der strengen Corona-Beschränkungen müssen sich viele Lehrende und Studierende in ganz Deutschland zumindest vorerst auf ausschließlich digitales Lernen einstellen.
Bereits erste Erfahrungen mit dem Studium im Corona-Modus hat man etwa in Sachsen, wo bereits die Vorlesungen für das Sommersemester begonnen haben. Der Oberarzt Martin Neef, der an der Universität Leipzig Medizinstudenten unterrichtet, spricht von einem Techniksprung, «für den wir sonst mutmaßlich mehrere Jahre gebraucht hätten». Neef nimmt die angehenden Mediziner virtuell mit in die Uniklinik. Mit Einverständnis der Kranken kommt die Kamera sogar mit in den Operationssaal. Außerdem hat der Oberarzt Online-Fälle für die Studierenden entwickelt. Der Digitalisierungsschub kostet: Die Universität Leipzig hat etwa ihre Serverkapazität deutlich erhöht und dafür einen höheren sechsstelligen Betrag investiert.
Doch selbst, wenn die nötige Technik vorhanden ist: Nicht alle Lehrinhalte können problemlos digital vermittelt werden. Eine Schwierigkeit: Pflichtpraktika. «Wenn jemand in der Chemie im Labor arbeitet und Stoffe zusammenkippen soll, ist das digital nur schwer zu ersetzen», sagt Aloys Krieg von der RWTH Aachen mit Blick auf das Sommersemester, das in Nordrhein-Westfalen wegen Corona nach hinten verschoben wurde und nun Anfang nächster Woche starten soll. Ein weiteres Problem zeigt sich bei der Literatursuche - die Bibliotheken sind weitgehend geschlossen. Zwar sei rund 80 Prozent der Literatur auch online zu finden, es gebe jedoch auch einen Präsenzbestand, sagt der Sprecher der TU Dortmund, Martin Rothenberg. Auch hier soll es bald eine kreative Lösung geben: «Das ist dann wie bei McDonalds, da öffnet ein kleines Fenster und dort können Studierende ihre vorbestellten Bücher in dringenden Fällen abholen.»
In vielen Fällen dürfte die digitale Lehre auch vor ganz lebenspraktische Herausforderungen gestellt werden: Längst nicht jeder Professor und jede Professorin hat das nötige Know-how, um Lehrinhalte in eine digitale Form zu gießen. Und nicht jeder Studierende besitzt einen schnellen Rechner oder gar eine geeignete Bandbreite für Videokonferenzen. In der Einschätzung des angehenden bayerischen Wirtschaftsingenieurs Constantin Pittruff sind viele Studenten verunsichert. Der 28-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender des Studentischen Parlaments der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, wo das Semester ebenfalls in der kommenden Woche startet. «Die Online-Lehre ist noch weit entfernt von der Präsenzlehre.» Vor allem die begrenzten Möglichkeiten des schnellen Austausches mit Kommilitonen sieht Pittruff problematisch. Vor dem Hintergrund all dieser Hürden haben sich rund 20 Studierendenvertretungen deutschlandweit dafür ausgesprochen, das Sommersemester als «Kann-Semester» zu werten. In einer Petition fordern sie neben einer Aussetzung der Regelstudienzeit und der freiwilligen Nutzung von Lehrangeboten auch die Verschiebung aller Fristen und das Recht, Prüfungen wiederholen zu können.
Veröffentlicht
21.04.2020