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Nach dem Turbo-Abi gleich ins Studium oder in eine Jobausbildung? Darauf haben viele Schüler keine Lust. Ein Orientierungsjahr bietet die Chance, durchzupusten und seine Zukunftswünsche zu klären.
Für viele junge Leute kommt die Entscheidung, was man nach der Schule machen soll, noch zu früh. Der Wunsch, sich erst einmal zu orientieren und zu überlegen, in welche Richtung das (Berufs-) Leben gehen soll, ist verständlich. Ein sogenanntes Orientierungsjahr kann man auf unterschiedliche Weisen erleben. Hier sind die drei gängigsten und interessantesten Varianten:
Wer viele Interessen hat und noch nicht weiß, welche Studienrichtung die richtige für einen ist, kann ein Studium generale machen. Ursula Konnertz und ihre Kollegen begleiten jährlich im Leibniz Kolleg der Universität Tübingen 53 motivierte Absolventen durch ihr Studium auf Probe. Drei Trimester umfasst das Orientierungsjahr, in dem sich die angehenden Akademiker in unterschiedlichsten wissenschaftlichen Fachrichtungen ausprobieren können.
"Es geht auch darum, politische und ethische Urteilskraft auszubilden", erklärt Konnertz das Programm.
Die Studierenden leben und arbeiten gemeinsam in einem Haus und gestalten ihren Stundenplan weitestgehend selbstständig. "Was sie hier lernen können, ist gemeinsam über Schlüsselfragen nachzudenken, kritisch zu sein und zu akzeptieren, dass es für manche Probleme oder Fragen keine einfachen Lösungen gibt", erklärt Konnertz. Viele der Studenten seien noch sehr jung und müssten in verschiedener Hinsicht erst Erfahrungen sammeln.
Anders als in der Schule oder im Studium werden die einzelnen Kurse nicht benotet, um keinen Leistungsdruck aufzubauen. Die Teilnahme am Programm kostet insgesamt 5300 Euro und setzt sich aus Kosten für Miete, Nebenkosten, Hörgeld und Exkursionsbeiträgen zusammen. Auf Antrag kann eine finanzielle Entlastung gewährt werden.
Ein ähnliches Angebot zum Einstieg bietet etwa das Aicher-Scholl-Kolleg in Ulm. Wer sich hingegen zu einzelnen Fachrichtungen informieren möchte, kann an einem Schnupperstudium teilnehmen, das viele Hochschulen inzwischen anbieten. Ein ähnliches Programm bietet etwa auch das Evangelische Bildungszentrums Hermannsburg in Niedersachsen - eine lokale Alternative zum Freien Sozialen Jahr, einem Praktikum oder einem Auslandsjahr.
Der fünfmonatige Winterkurs "moving times" verbindet berufliche Orientierung mit Fragen zur eigenen Lebensführung und bietet Jugendlichen ab 18 Jahren eine aktive Auszeit und Erfahrungen im Zusammenleben mit Gleichaltrigen. Perfekt sowohl für Abiturienten, die noch nicht sofort ins Berufsleben starten wollen, aber auch für Studienabbrecher oder diejenigen, denen Zweifel an der Studienwahl kommen.
Soll es nach dem Abi ein Studium oder doch lieber eine Berufsausbildung sein? Bei dieser Entscheidung könne Praxiserfahrung helfen, sagt Antje Mäder, Pressesprecherin vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Neben Praktika bietet der Bundesfreiwilligendienst eine Möglichkeit, die eigenen Interessen zu entdecken und ihnen nachzugehen.
"Sich freiwillig zu engagieren, bedeutet, mit vielfältigen Eindrücken konfrontiert zu werden, neue Erfahrungen zu sammeln und die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln", ergänzt Mäder.
Unabhängig von Schulabschluss, Herkunft oder Alter, können Freiwillige die praktische Arbeit in sozialen, ökologischen und kulturellen Einrichtungen (Aufmacherbild: Pflegedienst im Altenheim). Während der Dienstzeit, die in der Regel ein Jahr beträgt, erhalten die Freiwilligen ein Taschengeld, das mit der Einsatzstelle frei vereinbart wird, aber höchstens 381 Euro monatlich beträgt.
Auch Arbeitskleidung, Verpflegung oder Unterkunft stellt die Einsatzstelle gegebenenfalls zur Verfügung. "Aufgrund der positiven Erfahrungen, die die Freiwilligen während ihres Einsatzes machen, denken viele neu über ihre berufliche Zukunft nach", sagt Mäder. Viele Arbeitgeber sähen den Einsatz positiv. Einen ersten Überblick über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten bekommen Abiturienten über die Einsatzstellensuche unter www.bundesfreiwilligendienst.de.
Ist die letzte Prüfung geschrieben, zieht es viele Abiturienten in die Ferne.
"Am sinnvollsten sind Auslandsaufenthalte, die einen guten Blick über den Tellerrand gewähren und wichtige Soft Skills für die anschließende berufliche Laufbahn stärken", sagt Jane Jordan von der Initiative Auslandszeit.
Sie verweist dabei auf Work-and-Travel-Angebote, Freiwilligenarbeit oder Auslandspraktika. Hierbei könne man erste Berufserfahrung sammeln, die Sprachkenntnisse erweitern und internationale Kontakte knüpfen. Besonders wichtig:
"Sich bewusst zu machen, welche eigenen Fähigkeiten man mitbringt, um einen möglichst zielgerichteten Auslandsaufenthalt zu planen und diesen später sinnvoll im Lebenslauf verkaufen zu können", sagt Jordan.
Dabei gilt: Je mehr Zeit man in einem fremden Land verbringt, desto tiefer könne man in die Kultur eintauchen. Das sind Erfahrungswerte, die auch bei potenziellen Arbeitgebern gut ankommen.
"Die meisten Unternehmen erwarten heute, dass ihre Mitarbeiter mindestens eine Fremdsprache fließend beherrschen und offen für neue Aufgaben sind", so Jordan.
Veröffentlicht
27.04.2017