Jobwelten - Großbritannien - Als Pharmazeutin in Plymouth

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"Jobwelten": In Großbritannien den Traumjob neu entdeckt

Die Deutsche Nicole Hewes arbeitet in einer Krankenhausapotheke in Großbritannien. Dort lernte sie nicht nur ein völlig neues Gesundheitssystem kennen, sondern verliebte sich auch wieder neu in ihren Job.


"Jobwelten": In Großbritannien den Traumjob neu entdeckt"Jobwelten": In Großbritannien den Traumjob neu entdecktMehr Verantwortung, Teamarbeit, Aufgaben, die ihr Freude machen. Wenn Nicole Hewes von ihrer Arbeit erzählt, wird ganz schnell deutlich: Die 34-Jährige liebt ihren Job. Als Pharmazeutin arbeitet sie in der ans Krankenhaus Derriford in Plymouth angegliederten Apotheke. Plymouth liegt in der Grafschaft Devon im Südwesten Englands auf der Grenze zu Cornwall, einer der schönsten Gegenden, die Großbritannien zu bieten hat (s. Aufmacherfoto). Nach dem Abitur studierte Nicole Hewes zunächst Pharmazie, arbeitete schon neben dem Studium für eine Apotheke. Ihr praktisches Jahr splittete sie, verbrachte sechs Monate in einer öffentlichen Apotheke und das andere halbe Jahr in einer Krankenhausapotheke. Besonders letztere Arbeit gefiel ihr. „Die Entscheidung, in welche Richtung es gehen sollte, wurde mir dann aber abgenommen“, erklärt Nicole Hewes. „Denn mein Chef der Apotheke, für die ich schon einige Zeit lang tätig war, bot mir eine feste Stelle an.“

Papierkram und bürokratische Hürden

Dennoch: Der Wunsch, als Pharmazeutin im Krankenhaus zu arbeiten, ließ sie nicht los. 2013 zog sie mit ihrem Mann, einem Engländer, nach Großbritannien. „Beruflich war das für mich nicht leicht. Denn mein Examen war hier zwar anerkannt, aber ich musste vieles übersetzen oder vom Notar beglaubigen lassen.“ Dann wurde sie schwanger und es war klar, dass nur eine Teilzeitstelle infrage kommen würde. „Ich bewarb mich für eine Stelle in einer Krankenhausapotheke, bekam aber gleich eine Absage. Das war für mich ein kleiner Schock. Denn ich hatte zuvor eigentlich immer positive Rückmeldungen auf meine Bewerbungen bekommen.“ Nicole Hewes erkundigte sich weiter nach offenen Stellen. Gleichzeitig lernte sie das besondere Apothekensystem in England besser kennen. „Es gibt dort sehr wenige öffentliche, inhabergeführte Apotheken“, erklärt sie. „Die meisten gehören zu den großen Ketten wie Boots oder Lloyds.“ Und auch das Bewerbungsverfahren war ihr neu. „Das Recruiting läuft meist so ab, dass man zunächst an psychologischen Tests teilnehmen muss. Besteht man diese, kommt man in einen großen Topf und wird zu einem Gespräch eingeladen. Bei Nichtbestehen wird man aussortiert. Das hat mich sehr irritiert und war mir fremd.“ Dazu kam: Die meisten Stellen waren ohnehin in Vollzeit ausgeschrieben.

„Die Verantwortung, die wir haben, ist sehr groß“

„Obwohl ich nur mit reduzierter Stundenzahl arbeiten wollte, habe ich mich auch auf diese beworben und ich bekam kurze Zeit später einen Anruf von meiner heutigen Chefin, die sich mit mir treffen wollte.“ Und gleich in den ersten Minuten des Gespräches packte Nicole Hewes die Karten auf den Tisch. „Ich habe gesagt, dass ich nur in Teilzeit verfügbar bin und dass ich zuvor noch nie in England gearbeitet habe, dass ich aber bereit bin, zu lernen.“ Und mit einem Mal war die Pharmazeutin ihrem Wunsch, in einer Krankenhausapotheke zu arbeiten, ein ganzes Stück näher. Schon am nächsten Tag rief die Zentrale an, fragte an welchen Tagen sie arbeiten könne, was sie sich als Gehalt vorstelle und ob sie die Stelle wolle. Dass es plötzlich so schnell gehen würde, damit hatte Nicole Hewes nicht gerechnet. „Ich sagte, dass ich mir den Arbeitsplatz ganz gerne auch einmal ansehen würde“, erinnert sie sich. Die Kollegen, das Umfeld, die Tätigkeit – alles passte. Und vom ersten Tag an fühlte sich die Deutsche wohl in der englischen Apotheke. „Hier haben wir einen komplett anderen Arbeitsbereich als in Deutschland. Denn das Fachärztesystem wie wir es gewohnt sind, gibt es hier nicht. In England geht man zum Hausarzt und der überweist einen an das Krankenhaus. Also kommen alle Patienten im Anschluss mit ihren Rezepten zu uns“, erklärt Nicole Hewes. „Wir haben dann die Aufgabe, zu schauen, ob die verordnete Dosierung stimmt, ob die Dauer der Einnahme richtig ist und vieles mehr. Insgesamt ist die Verantwortung, die wir den Patienten gegenüber haben, sehr groß.“ Ihren Beruf hat sie erst in England wieder lieben gelernt, sagt sie. „In Deutschland war ich etwas desillusioniert und habe mit dem Beruf gehadert, weil ich gerne in den Krankenhausbereich wollte und das ohne Vitamin B einfach nicht möglich war. Heute arbeite ich freiwillig mehr und ich komme gerne in die Apotheke. Denn hier arbeitet man wirklich im Team.“ Auch, wenn sie sich zunächst daran gewöhnen musste, selbst die Vorgesetzten mit ihrem Vornamen anzusprechen, sagt Nicole Hewes heute: „In Deutschland ist das ´Sie´ häufig eine große Barriere. Dadurch, dass wir uns hier duzen, können auch schwierige Themen leichter und auf Augenhöhe angesprochen werden. Und ich habe den Eindruck, dass der Umgang hier respektvoller ist.“ Was auf die Familie genau zukommt, wenn es tatsächlich zum Brexit kommt und das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austritt, weiß sie noch nicht so genau. „Wir sind uns nicht sicher, welche neuen Regularien es geben wird“, sagt Nicole Hewes. „Hier wird von permanenter Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis gesprochen, aber es ist leider alles sehr schwammig. Wir gehen davon aus, dass ich weiterhin ohne Probleme hier arbeiten kann, jedoch ein kleiner Papierkrieg auf uns zukommen wird.“

Aufgezeichnet von Daniela Lukaßen-Held


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Veröffentlicht
21.09.2017