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Trotz äußerlichem Glanz kann eine Unternehmenskultur nur Fassade ist, was vor allem die besten Mitarbeitenden dazu bewegt, zu gehen. Hier erfährst Du, wie ein Unternehmen, das auf den ersten Blick positiv bewertet erscheint, sich als ein unangenehmer Arbeitgeber herausstellen kann.
Anfänglich lockt ein verlockendes Gehalt. Deine Vorgesetzte oder Dein Vorgesetzter erscheint sympathisch, das Arbeitsklima stimmt – alles wirkt perfekt bei der Einstellung. Doch oft entlarvt sich dieses Leitbild als täuschend. Selbst Spitzenmitarbeitende, die bedeutenden Positionen innehaben, ziehen sich manchmal zurück. Die Entscheidung für einen neuen Arbeitgeber ist selten leichtfertig und entwickelt sich oft schleichend.
Vermeintlich makellose Unternehmenskulturen können sie für Mitarbeitende risikobehaftet, wenn sie mehr Schein als Sein sind. Während einige Aspekte offensichtlich sind, wie zum Beispiel Strategien und Rituale, bleiben andere in aller Stille unbemerkt. Dazu gehören unausgesprochene, jedoch praktizierte Regeln.
Das Fundament für eine funktionierende und positive Unternehmenskultur besteht vor allem aus praktizierten und angestrebten, aber auch unerreichbaren Werten. Um dies zu erkennen, ist es entscheidend, dass Du die verhüllten Muster und für Dich passende Kultur entdeckst.
Unbewusst entwickelte Zufallswerte (Accidental Values) neigen dazu, eine unerwünschte Eigendynamik zu entfalten. Abhängig von den Geschehnissen im Team können sie schwer kontrollierbar sein, insbesondere durch Führungskräfte. Eine scheinbar erstrebenswerte Außendarstellung kann sich intern als problematisch erweisen.
Ein Beispiel hierfür könnte der Umgang mit Überstunden sein: Wenn Mitarbeitende regelmäßig die maximale Arbeitszeit überschreiten und Pünktlichkeit negativ bewertet wird, entsteht ungewollt eine Kultur der Überarbeitung. Überstunden werden zu einem unbeabsichtigten Wert, der von Top-Mitarbeitenden, die Höchstleistungen erbringen sollen, unter Druck setzt. Diese überhöhten Erwartungen, gekoppelt an Zufallswerte, können sich negativ auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit auswirken und Mitarbeitende abschrecken.
Entscheidend für eine robuste Unternehmenskultur ist die Harmonie zwischen dem übergeordneten Wertesystem und den tatsächlich praktizierten Werten im Unternehmen. Formulierte Grundwerte müssen daher in der gelebten Praxis mit den Handlungen übereinstimmen. Die sogenannten Core Values sind das Herzstück jeder Kultur und repräsentieren aktuellen Zustand. Wenn jedoch keine Übereinstimmung zwischen formulierten und gelebten Werten festgestellt werden kann, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis Mitarbeitende den Ist-Zustand in Frage stellen und sich möglicherweise vom Arbeitgeber distanzieren, bevor sie das Unternehmen schließlich verlassen.
Top-Mitarbeitende sind begehrt und Unternehmen beabsichtigen, sie langfristig zu binden. Um hochleistungsfähige Mitarbeitende zu gewinnen, setzen einige Arbeitgeber auf taktisches Anlocken durch die Betonung von Werten und Prinzipien, die letztendlich oberflächlich sind. Zunächst erhalten die Mitarbeitende tatsächlich, was versprochen wurde. Jedoch dienen diese vermeintlichen Werte nur als kurzfristige Lockmittel. Zum Beispiel kann ein großzügiges Gehalt anfänglich auf die Investitionsbereitschaft des Unternehmens aufmerksam machen.
Sobald die makellose Oberfläche Risse zeigt und deutlich wird, dass das Fundament nicht stabil ist, werden selbst erstklassige Mitarbeitende allmählich das Unternehmen verlassen. Ein anfängliches Lockangebot reicht nicht aus, um sie langfristig zu binden.
Es kommt vor, dass Arbeitgebende und ihre Mitarbeitenden unterschiedliche Interpretationen der formulierten und ausgelebten Unternehmenswerte haben, die das Fundament der Unternehmenskultur bilden. Die wahrgenommene Realität der Mitarbeitenden darf nicht übersehen werden, da sie täglich die Auswirkungen von Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz erleben.
Es taucht die Frage auf, was der Begriff "Work-Life-Balance" konkret bedeutet. Die Auffassung darüber kann variieren: Eine Unternehmensleitung mag finanzielle Prämien als ausreichende Anreize betrachten, um Mitarbeitende zu entlasten. Hingegen könnten sich einige Mitarbeitende eine verbesserte Kinderbetreuung oder Unterstützung bei der Erholung wünschen, um eine ausgewogene Work-Life-Balance zu erreichen. In der Vielfalt der Perspektiven liegt die Herausforderung, die Bedürfnisse aller zu verstehen und zu erfüllen.
Grundlegend geht es um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen persönlichen Bedürfnissen und den Anforderungen des Jobs. Diese Kommunikation ist entscheidend, und Kompromisse müssen gefunden werden, um den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden, da sonst das Risiko eines inneren Rückzugs und letztendlich des Wechsels hochqualifizierter Mitarbeitenden besteht.
Die Vorstellung von einem perfekten Arbeitgebenden mit makellos gelebten Werten bleibt oft eine Illusion. Doch eine Zufriedenheit von 90 Prozent mit den realen Unternehmenswerten genügt vielen Mitarbeitenden, um sich gut aufgehoben zu fühlen. Für Top-Mitarbeitende können jedoch gerade die fehlenden 10 Prozent ein ausschlaggebender Grund sein, sich nach Alternativen umzusehen.
Mag die Bezahlung fair sein, die Benefits hervorragend und das Arbeitsklima ausgezeichnet – doch wenn beispielsweise Aufstiegschancen fehlen, erleben gerade leistungsstarke Mitarbeitende einen Stillstand. Diese hochqualifizierten Arbeitnehmende suchen bewusst nach Gelegenheiten, beruflich voranzukommen. Wenn diese Möglichkeiten ausbleiben, erfolgt ihr Wechsel nicht zwangsläufig aufgrund von unangenehmem Führungsverhalten oder unpassenden Arbeitszeiten, sondern vielmehr, um ihre Karriere voranzutreiben.
Allgemein sind Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeitende heutzutage von entscheidender Bedeutung, um sie langfristig an eine Arbeitgebermarke zu binden. Sind solche Optionen nicht gegeben, steigt die Bereitschaft zu einem Jobwechsel.
Selbst in glänzenden Unternehmenskulturen, die durch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, großzügige Vergütung und unterhaltsame Team-Events glänzen, zeigt sich mitunter eine Schwachstelle: die Art der Kommunikation, insbesondere die Feedback-Kultur.
Eine problematische Feedback-Kultur, die auf starren hierarchischen Ebenen basiert, vernachlässigt oft die Möglichkeit von Rückmeldungen auf Augenhöhe. Für qualifizierte Mitarbeitende kann diese Kulturlücke zu einem echten Problem werden. Sie sind auf sachliches, konstruktives Feedback ohne Machtspielchen angewiesen, um sich in ihrer Arbeit wertgeschätzt und unterstützt zu fühlen.
Was Top-Mitarbeitende wirklich bindet, ist eine authentische Wertekultur. Es reicht nicht aus, Unternehmenswerte nur niederzuschreiben und zu präsentieren – entscheidend ist die Umsetzung im täglichen Unternehmensleben. Eine wirkliche Unternehmenskultur formt sich auf dem Fundament der gelebten Normen und Werte.
Es dauert oft eine Weile, bis problematische Dynamiken sichtbar werden, da sie im Verborgenen agieren. Die zuvor beschriebenen Herausforderungen können Dir dabei helfen, in Zukunft die für Dich passende Unternehmenskultur zu identifizieren. Es lohnt sich, genauer hinzusehen, um die subtilen Einflüsse und Strömungen zu erkennen, die das Arbeitsumfeld prägen.
Veröffentlicht
02.01.2024
Author:in
Maria Mordi