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Worauf achten Personaler in Arbeitszeugnissen? 5 klassische Prüfpunkte

Sie haben Ihr bestes gegeben, um eine überzeugende Bewerbung zu erstellen und warten nun gespannt auf eine Antwort. Doch was geschieht eigentlich, wenn Ihre Unterlagen auf dem Schreibtisch des Personalers landen? Inbesondere das Arbeitszeugnis – ein mysteriöser Teil der Bewerbungsmappe, um den sich viele Mythen ranken. Wie wird es geprüft und welche geheimen Signale suchen Recruiter in den Zeilen? Julian Steinbuch, ein versierter Kenner der Online-Recruiting-Szene, nimmt uns mit auf eine Entschlüsselungstour und offenbart die fünf wesentlichen Kriterien, die Personalverantwortliche bei der sorgfältigen Analyse von Arbeitszeugnissen heranziehen. Erfahren Sie in diesem aufschlussreichen Artikel, wie formale Aspekte, Tätigkeiten, Sprachcodes und der Abgleich mit dem Lebenslauf den Erfolg Ihrer Bewerbung beeinflussen können.


Ein Artikel von Julian Steinbuch Die Bewerbung ist verschickt, die Hoffnung groß. Nun landen die Unterlagen auf dem Tisch des Personalers, der mit kritischem Blick Anschreiben, Lebenslauf und Arbeitszeugnisse prüfen wird. Aber was macht der Recruiter nun genau mit den Arbeitszeugnissen? Auf Grundlage zahlreicher Interviews mit Verantwortlichen aus Personalabteilungen haben wir 5 Kriterien zusammengestellt, die bei der Prüfung des Arbeitszeugnisses entscheidend sind.

Wichtige formale Kriterien

Der erste Blick des Personalers geht beim qualifizierten Arbeitszeugnis auf formale Aspekte. Ist das Arbeitszeugnis auf Firmenpapier gedruckt? Ist die vollständige Anschrift des Unternehmens angegeben oder wirkt das Schreiben wie "schnell mal zwischendurch" erstellt? Auch Fehler in der Rechtschreibung sind häufig kein Zufall, sondern bedeuten eine Wertminderung - ebenso wie die fehlende Unterschrift des letzten Chefs. Als Stilfehler gelten Anführungs-, Frage- und Ausrufezeichen. Große Differenzen zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Datum unterhalb des Arbeitszeugnisses lassen ein langes Hin und Her um die Formulierungen des Zeugnisses vermuten. Bei kurzer Anstellung ist eine Zeugnislänge von einer Seite üblich. Bei komplexen Tätigkeiten oder längerer Anstellung auch zwei. Gerade bei höheren Positionen geht der Trend zur zweiseitigen Beschreibung. Ab drei Seiten wirkt es aber künstlich aufgebläht.

Tätigkeitsbereiche und Erfahrung

Bei einer Bewerbung kommt es auf das Übereinstimmen zwischen den Anforderungen der vakanten Stelle und den Erfahrungen des Kandidaten an. Den besten Einblick in die Fähigkeiten einer Person geben dabei bisherige Tätigkeiten. Welche Aufgaben hatte der Bewerber bei der vorhergehenden Stelle? Hier fällt der Blick des Personalers beim Prüfen auf die erstgenannten Angaben in der Tätigkeitsbeschreibung, denn diese sind typischerweise die relevantesten Arbeitsinhalte. Spiegeln die beschrieben Tätigkeiten das zu erwartende Level an Erfahrungen wider? Werden  spezielle Kenntnisse und Erfahrungen genannt, die der Mitarbeiter für die Stelle benötigt, auf die er sich beworben hat?

Alarmsignale der Zeugnissprache

Unzufriedene Arbeitgeber drücken dies meist mit versteckten Codes im Arbeitszeugnis aus, die für Personaler als typische Alarmsignale gelten. Wird etwa das Verhältnis zum Vorgesetzten im Zeugnis nicht erwähnt, weiß der erfahrene Leser, dass dieses nicht besonders gut gewesen sein kann. Generell gilt, dass wegen des Gebots der wohlwollenden Formulierung Negatives ausgelassen wird und genau diese Auslassungen das Misstrauen des neuen Arbeitgebers wecken. Wird Nebensächliches erwähnt, , etwa die Teilnahme an Meetings, lässt dies vermuten, dass der Mitarbeiter nur Dienst nach Vorschrift geleistet hat - mehr nicht. Negativ wirken außerdem doppelte Verneinungen, Wortkombinationen mit "bemüht" oder "versucht" und auch die Aneinanderreihung von Superlativen - das deutet auf ein "Gefälligkeitszeugnis" hin, wie es immer häufiger zur Vermeidung juristischer Streitigkeiten ausgestellt wird.

Unterschiede zum Lebenslauf

Als wesentlicher Bestandteil einer Bewerbung gilt der Lebenslauf. Hier können Kandidaten aber schummeln und Lücken verschwinden lassen, indem sie Anfangs- und Endzeitpunkte von Beschäftigungen ausdehnen. Dieser beliebte Trick fällt auf, wenn der im Arbeitszeugnis genannte Beschäftigungszeitraum nicht mit den Angaben im Lebenslauf übereinstimmt. Wurden im Lebenslauf Tätigkeitsfelder genannt, die sich nicht mit der Beschreibung im Arbeitszeugnis decken oder äußert der Ex-Chef im Zeugnis kein Bedauern über den Weggang, obwohl der Bewerber von einer Eigenkündigung sprach, machen diese Widersprüche skeptisch.

Zeitliche Entwicklungen über mehrere Arbeitszeugnisse hinweg

Erfahrene Arbeitnehmer, die bereits mehrere Stellen innehatten, legen bei einer Bewerbung auch mehrere Arbeitszeugnisse vor. Üblich ist es, die letzten drei Arbeitszeugnisse der Bewerbung anzufügen. Fällt beim Arbeitszeugnis auf, dass es hier Ungereimtheiten gibt, wird der Personaler im Vorstellungsgespräch genauer nachfragen. Auffällig sind etwa sehr unterschiedliche Bewertungen - großes Lob von einer Firma und viele Standardfloskeln von einem anderen Unternehmen. Werden einzelne Leistungsbereiche über mehrere Zeugnisse hinweg nur mit "er bemühte sich" oder abwertenden Codes beschrieben, lässt dies vermuten, dass es dem Bewerber nicht gelang, sich wesentlich zu verbessern.

Fazit - harte Fakten und subjektive Wertungen

Arbeitszeugnisse sind ein wenig wie die Notenvergabe beim Skisprung. Sie bewerten harte Fakten, das Erfüllen von Tätigkeitsanforderungen und das Erledigen von Aufgaben. Darüber hinaus beschreiben sie gewissermaßen die Haltungsnoten, die im Kontext versteckt werden, durch differenzierte Formulierungen zum Ausdruck gebracht werden und sehr subjektiv sind. Genau diese gilt es für Personaler zu entschlüsseln. Sie lassen sich nicht von scheinbar freundlich klingenden Formulierungen im Arbeitszeugnis blenden, sondern entschlüsseln deren wahre Bedeutung. Übrigens gibt es eine technologische Entwicklung, die Personalverantwortlichen immer mehr die Auswertung erleichtert: Per Natural Language Processing (NLP) wird dem Personaler das Lesen ganz abgenommen. Lesen Sie außerdem, worauf Personaler und Headhunter in Ihrem Online-Profil wirklich achten.   

Julian Steinbuch, arbeitszeugnis.ioJulian Steinbuch, arbeitszeugnis.io

 

Über den Autor: Julian Steinbuch

Julian Steinbuch ist erfahrener Unternehmer im Online Recruiting. Als CEO von Blitz macht er gegenwärtig das beliebte Format "Instant Messaging" für das Recruiting nutzbar, vorher gründete er ictjob.de (eine der führenden deutschen IT Jobbörsen) und 99sales.de (Deutschlands erste "reverse recruitment" Plattform für den Bereich Vertrieb).


Veröffentlicht
20.06.2016