Bewerben mit einer Behinderung

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Bewerben mit einer Behinderung: Die richtige Taktik für die Jobsuche

Menschen mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung tun sich im Bewerbungsprozess oft schwer. Tatsächlich gibt es unterschiedliche Wege, mit einem Handicap auf Jobsuche zu gehen.


In der Leistungsgesellschaft zu bestehen, ist nicht immer leicht: Immer schneller und effektiver zu arbeiten, und das möglichst auch noch mit Ausdauer und Leichtigkeit, fällt vielen Menschen schwer - auch und vor allem jenen mit speziellen körperlichen und seelischen Voraussetzungen. Etwa jeder elfte Deutsche (7,6 Millionen) gilt laut Statistischem Bundesamt als schwerbehindert, davon sind aktuell mehr als eine Million in einem Beschäftigungsverhältnis. Eine Behinderung ist also längst keine Ausnahme mehr und auch nicht zwangsläufig ein Grund, einen Job nicht richtig ausüben zu können. Trotzdem sind Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit oft unsicher, wie sie sich in Bewerbungssituationen verhalten sollen. Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind zwar laut Gesetz verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen mit Behinderten zu besetzen. Tun sie das nicht, wird für jede unbesetzte Pflichtstelle eine monatliche Ausgleichsabgabe fällig. Aber was bedeutet das für den Bewerber? Sollte er sein Handicap besser erwähnen, eventuell sogar darauf hoffen, dass ihm die Gesetzeslage Vorteile bringt? Oder lieber verschweigen, worauf man nicht reduziert werden möchte?

Behinderung bei der Bewerbung angeben? Nicht unbedingt.

Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er sich lieber bedeckt hält oder offen spricht. Wer eine offensichtliche Behinderung hat, tut oft gut daran, von Beginn an ehrlich zu sein. Auch, um Unsicherheiten von Seiten des Arbeitgebers aufgeschlossen zu begegnen. Viele Behinderungen sind allerdings nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Zu beachten ist in jedem Fall, welche Auswirkungen die Erkrankung auf die Ausübung des Jobs hat. "Generell kann man davon ausgehen, dass sich niemand auf eine Stelle bewirbt, deren Anforderungen er aufgrund seiner Gesundheit nicht gewachsen ist. Insofern muss eine Behinderung oder chronische Erkrankung auch bei der Bewerbung nicht angegeben werden", sagt Martin Bechert, Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht. "Sollte die Erkrankung allerdings Einfluss auf die Arbeit haben, ist es schon besser, sie eingangs zu erwähnen." Der Bewerber muss dann hoffen, dass ihm die Offenheit nicht zu seinem Nachteil ausgelegt wird. Denn trotz der Gesetzeslage ist es für Behinderte oft noch schwierig, einen Job zu finden. Laut Inklusionsbarometer Arbeit 2016 ist die Arbeitslosenquote bei Schwerbehinderten mit 13,4 Prozent noch mehr als doppelt so hoch wie die anderer Arbeitnehmer. Die im Auftrag der Aktion Mensch seit 2013 vom Handelsblatt Research Institute erhobene Studie soll helfen, die Fortschritte bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu messen. Die hohe Arbeitslosigkeit hat demnach auch damit zu tun, dass viele Arbeitgeber, vor allem kleine und mittelständische Firmen, die gesetzlich vorgegebene Quote nicht erfüllen. Der Untersuchung zufolge liegt die Beschäftigungsquote bei den 47.250 befragten Unternehmen mit 20 bis 40 Mitarbeitern bei lediglich 2,9 Prozent, bei den 143 Großunternehmen mit 10.000 bis 50.000 Beschäftigten dagegen schon bei 6,3 Prozent.

Drei Tipps für die Bewerbung mit einer Behinderung:

  • Wer sich dafür entscheidet, die Behinderung schon in der Bewerbung zu erwähnen, sollte darauf achten, sich kurz zu fassen und das Thema nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Die Erkrankung am besten knapp, aber korrekt benennen, ohne sich in unverständlichen Fachbezeichnungen zu verlieren.
  • Sollte es im persönlichen Gespräch dazu kommen, dass der Bewerber seine Behinderung anspricht, tut er das am besten im Laufe des Treffens. Ungünstig ist es, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Oder eine Erkrankung erst dann zu thematisieren, wenn man bereits den Raum verlässt. Das wirkt, als sei der Bewerber selbst verunsichert ob der Situation.
  • Wer nicht weiß, wie in der entsprechenden Firma mit dem Thema umgegangen wird, kann vor der Bewerbung Kontakt zum Gleichstellungsbeauftragten aufnehmen, den es in den meisten größeren Firmen gibt. So erfährt der potentielle Arbeitnehmer auch, ob eine Bewerbung in dem Unternehmen überhaupt sinnvoll ist.

Arbeitsrechtler Bechert weiß, dass viele Bewerber ihre Behinderung zunächst lieber für sich behalten. "Ist die Behinderung nicht auf den ersten Blick offensichtlich, erwähnen die wenigsten Bewerber sie anfangs", sagt der Berliner Anwalt. Nach der Probezeit sieht das seiner Erfahrung nach jedoch schon anders aus. "Wer sich dann sicher in seinem Arbeitsverhältnis fühlt, informiert den Arbeitgeber über die Situation. Denn das hat ja auch Vorteile. So gelten für Behinderte beispielsweise spezielle Vorgaben, wie der besondere Kündigungsschutz und das Recht auf zusätzlichen, bezahlten Urlaub."

"Behinderte Bewerber haben das Recht zur Lüge"

Aber nicht immer ist es so einfach, das Gespräch über eine Erkrankung zunächst zu umgehen. Was tun, wenn der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch plötzlich wissen möchte, ob eine Behinderung besteht? "Sollte der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch nach einer Erkrankung fragen, hat der Bewerber das Recht zur Lüge", sagt Anwalt Martin Bechert. "Denn das ist als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu sehen." Genauso wertet der Anwalt den Umgang mit einer chronischen Erkrankung. "Was die Arbeitsfähigkeit betrifft, können die Grenzen zwischen einer chronischen Erkrankung und einer Behinderung ja auch verschwimmen." Die Frage, die hinter dem komplexen Thema steht: Gibt es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Information über eine Behinderung? Könnte ihm das Nachfragen somit doch erlaubt sein? "Manche sagen ja, denn es kommt vor, dass ein Arbeitgeber Schwerbehinderte beschäftigt und - da er über die Behinderung nicht informiert ist - trotzdem die Ausgleichsabgabe zahlt. Ich würde in so einem Fall aber dennoch sagen, dass das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers über diesen Interessen steht", sagt Bechert. Wer nicht möchte, muss also nichts sagen. Dennoch sollten Bewerber aber aufpassen, dass sie sich nicht in Lügen gegenüber dem Arbeitgeber verstricken. Denn wenn die auffliegen, wird es für alle Beteiligten unangenehm. Text: Antonia Thiele


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Veröffentlicht
06.02.2017