Hände tippen auf Laptop © Kilito Chan / Getty Images

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Anonyme Bewerbung: Unnötiger Trend oder sinnvoll?

In vielen Ländern sind anonyme Bewerbung längst die Regel und nicht die Ausnahme. Sie bieten schließlich zahlreiche Vorteile, aber auch den einen oder anderen Nachteil. Hier erfährst Du, welche das sind und wann sich die anonyme Bewerbung lohnt.


Laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, darf niemand bei Bewerbungsprozessen benachteiligt werden, beispielsweise aufgrund von Geschlecht oder Herkunft. Das Problem an der Sache ist, dass jeder Mensch gewisse Vorurteile hat, sei es bewusst oder unbewusst, und es in der Praxis daher häufig doch zu einer Diskriminierung kommt. Eine anonyme Bewerbung, die solche Informationen nicht offenlegt, kann daher die Lösung sein, um tatsächliche Chancengleichheit zu erwirken. Das gilt jedenfalls in der Theorie – in der Praxis bringt die anonyme Bewerbung aber einige Probleme mit sich. Doch dazu später mehr. 

Vorteile der anonymen Bewerbung

Zuerst lohnt sich ein Blick auf die Vorzüge der anonymen Bewerbung. Sie ist schließlich nicht ohne Grund in vielen Ländern mittlerweile gängig oder sogar vorgeschrieben. In Kanada ist es beispielsweise explizit unerwünscht, den Bewerbungsunterlagen ein Foto beizufügen. Aber auch Geburtsdatum, Geschlecht oder Familienstand werden in einigen Ländern prinzipiell nicht angegeben. In Deutschland ist es nach wie vor üblich, solche Informationen in der Bewerbung anzugeben. Pilotprojekte haben aber auch hierzulande bereits bewiesen, dass vor allem Frauen und Migranten bessere Chancen haben, wenn sie ihre Bewerbungen anonymisiert einsenden. Tatsächlich führt die anonyme Bewerbung also zu einer besseren Vergleichbarkeit und Chancengleichheit, also schlichtweg zu mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt. Auch die Unternehmen können davon profitieren – Stichwort: Diversity. Zudem steigt die Effizienz in den Personalabteilungen, da die Recruiter weniger Informationen durchgehen und vergleichen müssen. Sie können sich also auf die wirklich wichtigen Punkte fokussieren. In der Theorie ergibt sich aus der Anonymisierung von Bewerbungen also eine Win-Win-Situation.

Mögliche Nachteile der Anonymisierung 

In der Praxis ist das dennoch, zumindest in Deutschland, bislang unüblich. Wer trotzdem eine anonyme Bewerbung einschickt, steht daher im Verdacht, dass er oder sie etwas zu verbergen hat. Sie kann also neugierig machen, aber auch skeptisch – und daher sogar zum Nachteil werden. Zudem löst die Anonymisierung nicht das eigentliche Problem, nämlich jenes der Diskriminierung. Kritische Stimmen behaupten stattdessen, dass sie lediglich verzögert wird, schließlich wird spätestens im Vorstellungsgespräch alles offengelegt. Auch lassen sich gewisse Informationen dennoch aus der anonymen Bewerbung ablesen oder zumindest erahnen, beispielsweise das Alter der Bewerber anhand ihres Abschlussjahrgangs. Zudem kann es für Berufseinsteiger schwierig sein, die Bewerbung überhaupt noch sinnvoll zu füllen, wenn sie viele Informationen verschweigen müssen. Für Dich stellt sich daher die Frage, ob und wann eine anonyme Bewerbung sinnvoll ist.

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Bei Bewerbungsprozessen möchten viele Jobsuchende mit ihrem Fachwissen oder ähnlichen „Hard Skills“ punkten. Dabei sind diese heutzutage für die Entscheidung der Personaler gar nicht mehr so wichtig. Hier erfährst Du, worauf sie stattdessen achten.  

Fazit

Schlussendlich steht Dir immer frei, Deine Bewerbung zu anonymisieren. Wenn Du allerdings denkst, dass Du dadurch einer Diskriminierung entgegen wirken kannst, hast Du Dich getäuscht. Schließlich musst Du spätestens im Vorstellungsgespräch ohnehin alle Informationen offenlegen, die eine normale Bewerbung enthält. Stattdessen raubst Du der Bewerbung ein Stück weit ihr Alleinstellungsmerkmal, denn schlussendlich sind es Deine Individualität und Persönlichkeit, mit denen Du Dich von der Konkurrenz abheben kannst – und solltest. Durch eine normale Bewerbung ist das einfacher. Entscheidest Du Dich dennoch für die anonyme Bewerbung, solltest Du darauf umso mehr den Fokus legen. Dann kannst Du durchaus überzeugen und auffallen; allerdings werten nicht alle Recruiter die Anonymisierung positiv. Zumindest zum jetzigen Stand ist eine anonyme Bewerbung deshalb in Deutschland nur selten sinnvoll. Besser ist es, auf Deine Vorzüge aufmerksam zu machen, sodass mögliche Diskriminierungsgründe an Gewicht verlieren. Am besten überzeugst Du also mit Persönlichkeit und Motivation, dann sinkt das Risiko einer Benachteiligung auch ohne Anonymisierung; Ausnahmen bestätigen die Regel.

Veröffentlicht
20.10.2021